[Konzert] The Bollock Brothers
Support: JP Kennedy
Samstag, 6. Februar 2016
Das Bett, Frankfurt
Um das Jahr 1990 herum entdeckte ich The Bollock Brothers oder The Famous B. Brothers, wie sie sich seinerzeit nannten, für mich. Die Mischung aus leicht versponnenen, abstrusen Texten, eingängigem Sound und sehr charakteristischem Sprechgesang übte eine unbestreitbare Faszination auf mich aus und schon nach kurzer Zeit hatte ich fast alle Alben der Band im Schrank stehen, bekam aber nie die Gelegenheit sie live zu erleben. Irgendwann verlor ich die Band dann aus den Augen und lediglich einige Stücke auf meiner Playlist hielten sie mir in Erinnerung.
Wie
es nun mit vielen Bands aus dieser Ära auch der Fall ist, so
tauchten The Bollock Brothers vor einigen Jahren wieder aus
der Versenkung auf und begannen ausführlich zu touren, so dass ich endlich den schon lange überfälligen Konzertbesuch nachholen konnte. Im vorletzten
Jahr hatte ich leider keine Zeit auf den Gig der Band zu gehen,
letztes Jahr hätte es mit meinen Terminen funktioniert, allerdings
wurde der Auftritt kurzfristig abgesagt; doch nun sollte dem lange
geplanten Konzertbesuch eigentlich nichts mehr im Wege stehen.
War
der Konzertbeginn eigentlich für 20.30 Uhr angesetzt, so betritt erst
eine halbe Stunde später JP
Kennedy
die
Bühne, der an diesem Abend die Aufgabe hat, die mittlerweile
deutlich zahlreicheren Besucher auf die Hauptband einzustimmen. Mit
den leicht zotteligen roten Harren, einem ebensolchen Bart und einer
Akustikgitarre vor der Brust sieht er praktisch wie der Inbegriff des
irischen Straßenmusikers aus. Das Set verstärkt dann auch diesen
Eindruck, besteht es doch aus Folk-Klassikern wie "Dirty
Old Town" oder dem unvermeidlichen "Whisky in the Jar",
ergänzt um einige nette Eigenkompositionen wie den nicht sonderlich
ernst gemeinten "Hangover in Hannover" oder "Las Vegas
in the Hills of Donegal". Ebenso wichtig wie die Musik ist ihm
dabei auch die Interaktion mit dem Publikum; Mr. Kennedy hat fast zu
jedem seiner Lieder eine Kleinigkeit zu erzählen und macht den einen
oder anderen Scherz, wobei die Nachfrage wie Eintracht
Frankfurt
in der Bundesliga an diesem Tag gespielt hat nicht ganz so gut
ankommt. Am Ende des gut halbstündigen Auftritts verabschiedet sich
der Musiker schließlich mit einer sehr ungewöhnlichen, aber
hörenswerten, Version des The
Undertones-Hits
"Teenage Kicks" in den Backstage-Bereich.
Obwohl
die Instrumente schon auf der Bühne aufgebaut sind, lassen sich die
Bollock
Brothers
dann doch ein bisschen viel Zeit und betreten kurz vor 22 Uhr, angeführt von Bassist
Richard Collins, die Bühne des Bett.
Als letzter schlendert schließlich ein älterer Herr in in
dunkelblauem Anzug, scheußlicher Krawatte und modisch-blondierter
Stachelfrisur ans Mikrofon. Dabei handelt es sich jedoch nicht, wie
das Aussehen vermuten lässt, um einen in Würde gealterten
Handelsvertreter sondern um Jock McDonald, Sänger, Kopf und letztes
verbliebenes Gründungsmitglied der Band. Doch schon nach der netten
Begrüßung und den ersten Zeilen des Openers macht sich bei Mr.
McDonald leichter Unmut breit, da sein Mikrofon den nötigen Wumms
vermissen lässt. Nachdem die Diskussion, wer das lauteste Mikrofon
hat jedoch zur Zufriedenheit aller Beteiligten geklärt ist macht die
Band einen erneuten Anlauf. Bei "Four Horsemen", einem
meiner Lieblingsstücke, kommen die Vocals dann auch deutlich
druckvoller und die Zuschauer feiern nach Kräften. Beim folgenden
"Horror Movies" sind es vor allem die Keyboard-Passagen die
das Stück tragen, während der Refrain irgendwie etwas unkoordiniert
wirkt. Jock McDonald ist augenscheinlich mit der Technik und mit der
Performance der Band immer noch nicht so wirklich zufrieden und
bittet mehrfach beim Publikum um etwas Geduld und verspricht, dass es
besser wird, je länger das Konzert dauert. Für "Cyberspace
Polaroid" steuert die reizende Mademoiselle Elodie einige
Vocals bei, die man in dieser Intensität gar nicht von solch einer
zierlichen Person erwartet hätte. Zwischendurch schiebt die Band
noch ein kurzes Cover von Rod Stewart ein, bevor es mit dem
eigentlichen Stück weitergeht; vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig,
aber sicherlich nicht schlecht. Danach folgt ein großartiges "Best
Of"-Set, das neben "Woke Up This Morning And Found Myself
Dead", "Henry The 8th", dem wahrscheinlich
bekanntesten Stück der Band, "Harley David (Son of a Bitch)",
und dem swingenden "Jack The Ripper" auch meinen
ungeschlagenen Liebling "King Rat" umfasst.
Daneben spielt
die Band einige eher unbekannte Stücke, die allerdings auch recht
gut beim Publikum ankommen, vor allem die groovende Mitgröhlnummer "Jesus
Lived Six Years Longer Than Kurt Cobain" oder "Queen &
Country", dem verstorbenen Keyborder Mark Humphrey gewidmet,
bleiben mir davon im Gehörgang hängen. Daneben streut die Band immer
wieder Coverversionen, manchmal nur Fragmente, ein um das eigene
Repertoire aufzulockern. Dazu passt auch, dass Jock McDonald immer wieder kleine Anekdoten aus seinem bewegten Musikerleben,
beispielsweise über einen Bordellbesuch in Frankfurt oder
vertauschte Ausweispapiere auf dem Flughafen erzählt.
Gelegentlich zieht er sich auch kurz in den Hintergrund der Bühne zurück
und überlässt das Mikrofon seinen Mitstreitern. So darf Drummer
Patrick Pattyn bei "Beats Of Love" übernehmen, Gitarrist
Chris McKelvey ist leider bei "Fields of Athenry" praktisch gar nicht zu verstehen (was aber definitiv nicht am Mikro liegen kann) und mit dem Sex
Pistols-Cover
"Pretty Vacant" bringt Bassist Richard Collins das vorher
eher entspannt mitwippende Publikum zum wilden Pogen, was schließlich
in einigen unfreiwilligen Bier- und Äppler-Duschen mündet.
Nach
fast 100 Minuten zieht sich die Band von der Bühne zurück und ich
nutze die Gelegenheit für ein kleines Schwätzchen mit JP
Kennedy,
der sich mittlerweile unters Publikum gemischt hat und neben mir
steht.
Für
die erste Zugabe soll eigentlich eine Dame aus dem Publikum den
Gesangspart von "Ace Of Spades" übernehmen, doch trotz
eines Cola-Cognacs um die Hemmungen abzubauen ziert sie sich leider,
bleibt aber für die nächsten beiden Stücke dekorativ tanzend auf
der Bühne. Danach brauchen die Herren, sie sind schließlich alle
nicht mehr die jüngsten, nochmals eine klitzekleine Pause und
betreten schließlich nach wenigen Minuten noch ein letztes Mal die
Bühne. Nachdem es schon mehrfach lautstark gefordert wurde ist es nun
endlich an der Zeit, das gut zweistündige Set mit dem großartigen "Faith
Healer" würdig abzuschließen.
Obwohl
sich die Halle rasch leerte blieb ich noch ein paar Minuten bei der
sich direkt anschließenden Desperate
Society Party,
war dann aber doch letztendlich viel zu müde um noch großartig
mitzufeiern, zumal sich die Heimfahrt erfahrungsgemäß immer sehr in
die Länge zieht.
Nach
der anfänglichen Diskussion darum, wer das lauteste Mikrofon hat
befürchtete ich eigentlich, dass das Konzert in einem Debakel enden
würde. Doch hielt Jock McDonald sein Versprechen und lieferte mit
seiner Band ein großartiges Konzert bei dem Setlist, Stimmung und
schließlich auch dieTechnik passten. Da störte es auch nicht
weiter, dass die kurzfristig anberaumte Improvisation von "Ace
Of Spades" doch nicht zum Einsatz kam oder das ein oder zwei
Stücke fehlten, mit denen ich fest gerechnet hatte. Die Atmosphäre
im Das Bett war, eigentlich wie immer, sehr entspannt und
familiär - was den kleinen Frankfurter Club zu einer meiner liebsten
Veranstaltungsorte macht.
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