Support: Kafvka
Dienstag, 10. Mai 2016
Schlachthof, Wiesbaden

Die Karte war schon lange besorgt, die Vorfreude entsprechend groß und für den nächsten Tag hatte ich mir vorsorglich frei genommen, so dass einem gelungenen Konzertbesuch eigentlich nichts mehr im Wege stand. Entsprechend gut gelaunt verabschiedete ich mich dann auch von meinen Kollegen und wollte eigentlich ganz entspannt hinüber zum Schlachthof laufen um mir dort noch eine kleine Stärkung zu genehmigen. War es die vorangegangenen Tage sehr sonnig und warm gewesen, so schüttete es jetzt aus Kübeln und ein frischer Wind sorgte für erhebliche und unangenehme Abkühlung. Letztendlich siegte, auch angesichts des nächtlichen Rückwegs, dann doch die Bequemlichkeit und ich entschied mich dafür, mit dem Auto zu fahren und in unmittelbarer der Halle zu parken. Ich hatte mich mit einigen Freunden im 60/40, dem Restaurant des Schlachthof für ein "Warm Up" bei Pizza und Äppler verabredet, doch offensichtlich war ich nicht der einzige, der auf diese Idee gekommen war. Da es draußen wetterbedingt keine Sitzmöglichkeit gab, drängte sich alles im Innenraum, der entsprechend voll war. Nach einiger Wartezeit gelang es mir und meinen Begleitern aber tatsächlich einen Stehtisch zu ergattern und dort auf das Öffnen der Türen zu warten.
Kurz nach 20 Uhr mache ich mich auf den Weg ins Kesselhaus, in dem praktisch noch nichts los ist. Entsprechend nutze ich die Gelegenheit um mir das neue Album zu sichern, das noch in meiner Sammlung fehlt. Auch an der Theke herrscht noch weitgehende Leere und schnell wird noch etwas für den Flüssigkeitshaushalt getan. Gegen 21 Uhr dimmt sich schließlich das Licht und aus den Boxen kommt mit "#LadyGagaSeinSohn" das Intro für Kafvka, die an diesem Abend den Einheizer geben. Die vier Herren aus Berlin spielen Crossover, so wie er Ende des letzten Jahrtausends recht beliebt war: harte Gitarrenriffs treffen dabei auf heftige Schlagzeug- und Bass-Passagen über die Frontmann Jonas seine politisch sehr engagierten Lyrics in deutscher Sprache rappt. Das Ganze liegt mir nicht so wirklich und passt auch nicht unbedingt zum Hauptact des Abends.
Stattdessen gehe ich doch lieber vor die Tür, mittlerweile ist es trocken und angenehm, und bewege mich in Richtung der Großen Halle, aus deren Türen "This is not a love song" von PiL dröhnt. Die Punkrock-/Wave-Veteranen um den ehemaligen Sex Pistols-Frontmann John Lydon rocken heute die größere Location und haben schon deutlich früher angefangen; allerdings auch zu einem stolzen Eintrittspreis. Immer mehr Menschen kommen aus dem Kesselhaus und es hat den Anschein, dass viele davon nicht wirklich von der Vorband begeistert sind. Diese macht zwar, zumindest was ich gehört habe, einen recht ordentlichen Job, aber es will einfach nicht so richtig passen. Doch nach einer guten halben Stunde ist das Set zu Ende und gefolgt von einer kurzen Pause geht es zurück in die Halle.
Ungewöhnlich für einen Wochentag und für solch einen späten Konzertbeginn ist das Kesselhaus sehr gut besucht, jedoch nicht ganz ausverkauft. So bleibt vor der Bühne immerhin noch etwas Raum zum Bewegen. Nach einem kurzen Intro aus der Konserve betritt die Band gegen 22 Uhr endlich die Bühne und legt mit "Class War" vom neuen Album los. Das Publikum geht mit, ist aber noch ein kleines bisschen reserviert, was sich allerdings schon beim zweiten Stück "The Shame" in kürzester Zeit erledigt hat. Die ersten Reihen vor der Bühne hüpfen und springen beim Gitarrensolo wild durcheinander und auch der Rest der Halle kann nicht mehr still stehen. Nicht ganz so aggressiv geht es mit "Faster Faster Harder Harder" weiter, zu dem ebenfalls ausgelassen gepogt wird und die Temperatur in der Halle trotz Klimaanlage schnell ansteigt. Zwischendurch weist Sängerin Cecilia Boström noch auf ihren heutigen Geburtstag hin (den 35sten), den sie gedenkt in Wiesbaden ordentlich zu feiern. Ganz folgerichtig bekommt sie nach einem wilden "Me, Myself And I" von einigen Damen in der ersten Reihe auch ein kleines Geburtstags-Bierchen überreicht und die ganze Halle singt artig "Happy Birthday". Nach diesem kurzen, sehr sympathischen Intermezzo rockt die Band schnörkellos mit "I Will Go On" weiter und beim folgenden „Playing With Fire“ darf Gitarrist Håkan Sörle sogar kurz das Mikrofon übernehmen um eine Strophe (in Spanish) beizusteuern. Mittlerweile ist praktisch die ganze Halle am Hüpfen, Springen oder doch zumindest energisch Mitwippen, was die Temperatur weiter hoch treibt. Nachdem Frau Boström nochmals auf ihren Geburtstag hingewiesen hat, mit dem Vorsatz nach dem Konzert alkoholische Getränke zu konsumieren, folgt mit "The History" meine ganz persönlicher Favorit vom Album Damnation.
Den Reaktionen in der Halle kann ich entnehmen, dass ich mit dieser Meinung wohl nicht alleine stehe. Bei "Working All Night And Day" bekommen wir eine fachkundige Anleitung was den Gesang des Refrains angeht, was dann auch in Folge hervorragend funktioniert, und die Feierlaune im Publikum weiter anheizt. Nach einer guten dreiviertel Stunde setzt die Band mit „Tonight“ etwas, dass in Anbetracht des restlichen lauten, schnellen und sehr direkten Sets schon als Ruhepunkt durchgeht. Und während sich Frau Boström auf den Händen der Fans quer durch den Raum zur Theke tragen lässt um dort einige Alkoholika für die Band zu organisieren, muss nochmals der Gitarrist das Mikrofon übernehmen. Nach dieser kleinen Stärkung folgt die Vorstellung der vier Bandmitglieder, wobei jeder die Gelegenheit für ein kleines Solo bekommt. Schließlich endet mit "Punkrock Harbour" vom gleichnamigen Album nach etwas mehr als einer Stunde der erste Teil des Sets.

Ich bin zu diesem Zeitpunkt völlig durchgeschwitzt, habe mehrere blaue Flecken und muss an die frische Luft. Dort stehe ich dann mit einem seeligen, zufriedenen Grinsen im Gesicht vor der Halle und betrachte die Leute um mich herum, denen es ähnlich geht. Kurz überlege ich in die Halle zurück zu gehen um mir die CD signieren zu lassen, aber ich bin zu diesem Zeitpunkt viel zu müde und kaputt, die Füße tun wehen, die Ohren pfeifen und langsam macht sich auch eine gewisse Müdigkeit bemerkbar. Trotzdem bleibe ich auch noch einige Minuten, unterhalte mich mit einigen Bekannten und versuche ein wenig runter zu kommen.
Eigentlich fehlen mir die Worte um den Auftritt von The Baboon Show adäquat zu beschreiben; es war schlicht großartig! Die Band ging direkt, schnörkellos, rockig und mit offensichtlich viel Spaß an der Sache in dieses Konzert und konnte diese Stimmung hervorragend ins Publikum transportieren. Viel von der Wirkung, die die Schweden auf der Bühne entfalten ist sicherlich der unglaublich starken Präsenz ihrer Frontfrau zu verdanken. Sie geht körperlich und stimmlich an ihre Grenzen, steht niemals still, macht sogar Liegestütze auf der Bühne und schafft es nebenbei noch immer mit dem Publikum und ihren Mitmusikern zu interagieren. Aber auch die drei anderen Musiker haben sichtlich Freude daran auf der Bühne zu stehen und den Menschen in der Halle richtig einzuheizen. Zu keinem Zeitpunkt hat man den Eindruck, dass dort oben vier Unterhaltungskünstler stehen, die ihr vertraglich vereinbartes Set seelenlos runterschrammeln; so wie ich es schon auf dem einen oder anderen Konzert gesehen habe. Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen: Eine tolle Show ohne viel Schnickschnack, die ich mir jederzeit gerne wieder anschauen würde.
Von der technischen Seite gab es erfreulicherweise ebenfalls nichts zu meckern, die Instrumente waren ordentlich abgemischt, auch wenn die Gitarre eine Kleinigkeit leiser hätte sein können. Selbst die Vocals, häufig ein Problem bei lauten, krachigen Bands, kamen fast immer sauber und klar durch die Boxen. Das Kesselhaus ist für den Tontechniker wohl eine sehr dankenswerte Location. Was ich dagegen nicht verstanden habe war, dass der Stand mit dem Merchandise in der Halle selbst und nicht im Vorraum untergebracht war. Zum einen hat dies den ohnehin schon raren Platz noch knapper gemacht, zum anderen war während des Konzertes eine Verständigung mit dem Menschen hinter dem Stand praktisch unmöglich. Auch ist mir zum wiederholten Male aufgefallen, dass einige Leute der Meinung sind, ihre Rucksäcke mit auf Konzerte schleppen zu müssen. Keine dezenten Täschchen, sondern prall gefüllte Säcke mit denen sie rücksichtslos durch die Menge pflügen und beim Tanzen wild um sich schlagen. Ist wahrscheinlich so ein Generationen-Ding, dass ich in meinem fortgeschrittenem Alter nicht mehr verstehe...
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