Sonntag, 23. Oktober 2022

Semiotics Department Of Heteronyms; Schlachthof; Wiesbaden


[Konzert] Semiotics Department of Heteronyms

Support: M!R!M
Mittwoch, 19. Oktober 2022
Schlachthof, Wiesbaden

 

Einfach mal spontan auf ein Konzert gehen?!?
Es kommt mir fast so vor, als ob diese Zeiten leider vorbei sind. Zahlreiche Absagen, entweder wegen Krankheit, bescheidenem Vorverkauf oder logistischen Problemen machen Bands, und natürlich auch Veranstaltern, schwer zu schaffen. Da muss der Konzertbesuch eigentlich akribisch vorbereitet werden – entsprechend hängt meine Pinwand mit Tickets (teils noch aus dem Jahr 2019) voll. Mein Plan war, erst alle Konzerte „abzuarbeiten“, bevor da etwas Neues hinzukommt.
Eher aus Gewohnheit hatte ich jedoch Sonntag an einer der regelmäßigen Ticketverlosungen des Wiesbadener Schlachthof teilgenommen – und es auch prompt wieder vergessen. Um so überraschter war ich, als ich am Dienstag eine Mail in meinem Postfach hatte. Zwei Karten für den Auftritt von Semiotics Department Of Heteronyms würden an der Kasse auf mich warten. Die spanische Band mit dem sperrigen Namen (oder kurz SDH befindet sich aktuell auf ausgedehnter Europa-Tour und macht in der hessischen Landeshauptstadt halt.

Das Konzert

Der Andrang im Kesselhaus ist überschaubar: Keine 30 Besucher haben sich an diesem trüben Mittwochabend in den kleinen Saal verirrt. Die meisten stehen in Grüppchen zusammen, unterhalten sich und nippen an ihren Getränken. Unvermittelt (aber pünktlich) wird die Hintergrundmusik abgedreht und die Lichter verlöschen.


Ich sehe einige fragende Blicke im Publikum als Jack Milwaukee aka M!R!M die Bühne betritt. Rein optisch könnte der Italiener grade von einem 90er Jahre Rave gekommen sein. Allerdings bleibt keine Zeit sich über den Kleidergeschmack zu wundern. Nach einigen kurzen Handgriffen am Mischpult setzt reinrassiger, sehr entschleunigter Synthie-Pop ein. Ergänzt wird das Ganze bei einigen Stücken durch die live gespielte Gitarre.
Die Vocals sind meist verfremdet und mit großzügigen Halleffekten angereichert. Dabei wechseln sich „normale“ Texte mit sich wiederholenden Satzfetzen ab. Die Melodien sind durchweg eingängig und harmonisch – und stehen eindeutig im Vordergrund. Der Gesang ist stellenweise nur als Flüstern zu hören. Allerdings bin ich mir nicht ganz sicher, ob das so beabsichtigt ist oder ob es da an der Technik etwas hapert. Der höfliche Applaus nach jedem Lied und sich vereinzelt im Takt wiegende Besucher zeigen, dass die Mischung doch gut aufgenommen wird.

Erst im April des Jahres hat M!R!M sein zweites Album, Time Traitor auf den Markt gebracht. Entsprechend konzentriert sich das gut 45minütige Set auf die Stücke dieser Veröffentlichung. Wer sich selbst einen Eindruck von der Musik machen möchte, kann das HIER oder DORT tun.


Nach einer extrem kurzen Umbaupause geht es dann auch schon mit SDH weiter. Im Rampenlicht steht ein großer, schwarzer Koffer, der die Technik der Band enthält. Dahinter bringt sich Sergi Algiz, der Elektroniker des Duos, in Position. Dagegen bleibt der Mikrofonständer weitgehend im Schatten. Daher fällt es fast gar nicht auf, als sich Sängerin Andrea Latorre das Mikrofon schnappt und loslegt. Dieses Schema behält die Band für den Rest des Auftritts bei. Die Sängerin tanzt vor dem schwarzen Bühnenhintergrund, sucht die zahlreichen Schatten auf der Bühne und traut sich nur selten in Richtung Publikum. Die Musik der Spanier pendelt zwischen Dark Wave, Industrial und EBM, wobei sich die Vielseitigkeit von Frau Latorre zeigt. Zarte gehauchte Vocals wechseln sich hier mit aggressiven Textfetzen ab. Ein sehr interessanter Kontrast, der wirklich gut funktioniert. Entsprechend sind im Publikum sogar einige tanzende Menschen zu sehen!


Im Frühjahr hat die Band mit Maybe a Body eine EP mit vier Tracks veröffentlicht. Neben dem Titelstück haben es auch die anderen drei Lieder ins Set geschafft. Aber es gibt bei dem Auftritt auch Material des Debüts Against Strong Thinking zu hören.
Leider ist bereits nach rund 50 Minuten schon wieder Schluss, was ich (und wohl auch das restliche Publikum) sehr schade finde.

Wie war’s?

Sie traut sich doch an den Bühnenrand!

Um es kurz zu machen: ein tolles, wenn auch kurzes, Konzert! Beide Bands hatten spannende elektronische Musik im Gepäck, die ohne diesen Auftritt höchst wahrscheinlich komplett an mir vorbei gegangen wäre. Vor allem die Bandbreite der Stücke von SDH hat mir dabei ausgesprochen gut gefallen. Leider hatte die Band nur noch Schallplatten am Merchandise-Stand. So musste ich am Tag später auf den Download der Tracks zurückgreifen.

Sowohl die Veröffentlichungen von M!R!M als auch Semiotics Department Of Heteronyms gibt es auf der jeweiligen Bandcamp-Seite. Oder auch auf anderen einschlägigen Plattformen.

Vielen Dank nochmal an den Schlachthof Wiesbaden für die Ticket-Verlosung und natürlich die Organisation des Konzertes!