Sonntag, 11. Mai 2025

Nouvelle Vague; Nadeah


[Konzert] Nouvelle Vague

Support: Nadeah
Montag, 5. Mai 2025
Frankfurter Hof; Mainz

 

Bei meiner immerwährenden Suche nach spannenden Cover-Versionen stieß ich vor einigen Jahren, auf Empfehlung eines Bekannten, auf Nouvelle Vague. Das französische Duo (zusammen mit wechselnden Musikern und Sängerinnen) konzentriert sich darauf Klassiker aus den Bereichen Punk, Gothic oder auch New Wave neu zu arrangieren und einzuspielen. Vor allem die Versionen von "Bela Lugosi's Dead" und "A Forest" hatten es mir dabei sehr angetan. In kurzer Folge verleibte ich daher die bisher erschienenen Alben meiner Sammlung ein.

Während sich bei den ersten Veröffentlichungen der Stil der Band auf Bossa Nova oder Easy Listening beschränkte, wurde das Repertoire im Laufe der Jahre vielschichtiger. Mit Should I stay or schould I go legen Nouvelle Vague ihr mittlerweile sechstes reguläres Studioalbum vor; das erste nach dem Tod von Olivier Libaux, einem der beiden musikalischen Köpfe.

Erst wenige Tage zuvor hatte ich erfahren, dass die Band auf ihrer "Should I stay or schould I go"-Tour auch in Mainz Station macht. Da die Zeit für den üblichen Ticket-Versand per Post zu knapp wird, verabschiede ich mich ungewöhnlich früh aus dem Büro und mache mich auf den Weg auf die andere Rheinseite in die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt.
 


Nachdem ich für die wenigen Kilometer eine geschlagene Stunde brauche, sind die Nerven bereits leicht strapaziert, als den Wagen im Parkhaus abstelle. Der Fußweg zur Tourist-Information, die auch den Ticket-Verkauf übernehmen, ist nicht ohne Risiko, muss ich mich doch vor mehreren rücksichtslosen Radfahrern auf der Rhein-Promenade in Sicherheit bringen. Als ich dann endlich die Eintrittskarte in der Hand halte, fällt mir auf, dass der QR-Code nicht lesbar ist - der Drucker vor Ort ist defekt und produziert Fehlstellen. Definitiv nicht mein Tag!

Die Location

Es ist mittlerweile bestimmt schon zehn Jahre her, dass ich das letzte Mal im Frankfurter Hof inmitten der Mainzer Altstadt war. Da noch ein wenig Zeit ist, nutze ich die Gelegenheit und schlendere durch die kleinen Gassen und Hinterhöfe. Seit meinem letzten Besuch hat sich hier viel verändert - häufig nicht zum besseren. Immerhin sind einige Orientierungspunkte erhalten geblieben, so beispielsweise die Currywurst-Bude, an der ich mir ein leckeres (aber erstaunlich teures) Abendessen gönne. So verstreicht die Zeit und ich stehe pünktlich um 19 Uhr vor dem Eingang zur Location. Der Besucherandrang hält sich zu diesem Zeitpunkt in einem überschaubaren Rahmen - so bleibt mir Gelegenheit mich zu orientieren. Im Innern hat sich glücklicherweise wenig geändert. Im Saal selbst musste die Bestuhlung weichen, nur an den Rändern gibt es noch eine Handvoll Sitzmöglichkeiten. Während immer mehr Besucher in den Raum kommen, suche ich mir einen gemütlichen Platz an einer der Säulen und warte auf den Konzertbeginn.

Nadeah

Kurz nach 20 Uhr betritt Nadeah mit ihrer Gitarre die Bühne. Die Musikerin und Sängerin hat schon mehrfach für Nouvelle Vague hinter dem Mikrofon gestanden - ist aber mittlerweile hauptsächlich als Solo-Künstlerin unterwegs. Nach einer Ansage auf Deutsch vom Band erzählt die gebürtige Australierin etwas von sich und den neuen Stücken des Sets. Meist dreht es sich dabei um erstaunlich unspektakuläre Alltagsgeschichten über das Leben abseits von Instagramm, Aufwachsen in den 1990ern, Hausarbeit oder Konsumterror.


Die musikalische Begleitung aus lockeren, entspannten Gitarrenakkorden - die in Kontrast zu den melancholischen, kritischen Texten stehen. Zwischen den einzelnen Stücken gibt es nette kleine Geschichten aus dem Leben der Künstlerin, zur Entstehungsgeschichte der Lieder oder auch einen Crash-Kurs in australisch. Zwischenzeitlich bekommt die Sängerin Verstärkung an den Saiten durch Art Menuteau, mit dem sie im letzten Jahrtausend in einer Band gespielt hat. Im Anschluss wird der Sound phasenweise durchaus rockig - das Publikum darf sogar die Rolle des Perkussionisten einnehmen.
Mit ihrem gut halbstündigen Set hinterlässt die Musikerin einen sympathischen Eindruck, nicht zuletzt Dank der intensiven Interaktion mit den Zuschauern. Insgesamt eine tolle Einstimmung auf die Hauptband - die dann auch nach kurzer Umbaupause die Bühne betritt.

Nouvelle Vague

Pünktlich um 21 Uhr verlöschen die Lichter im Saal - bis auf zwei blaue Strahler, die die Musiker in Schatten Hüllen. Bei den ersten Tönen von "Love will tear us apart" befindet sich Sängerin Mélanie Pain noch im Backstage-Bereich und bewegt sich erst im Verlauf des Stückes in Richtung des Bühnenrandes. Aus dem unsagbar beklemmenden Original von Joy Division macht die Band (Gitarre, Keyboard, Bass, Schlagzeug und Percussion) eine lockere, gelöste Nummer, die in einer Cocktail-Lounge nicht fehl am Platz wäre. Zusammen mit dem unüberhörbaren franzözischen Akzent der Sängerin ergibt sich daraus eine interessante Version, die unbestreitbar ihren Anteil am nachhaltigen Erfolg von Nouvelle Vague hat.


Danach machen sich die Musiker an einem von mehreren Depeche Mode-Stücken an diesem Abend zu schaffen. Für "People are People" kommt eine zweite Sängerin (deren Namen ich leider nicht weiß) auf die Bühne. Musikalisch orientiert sich das Ganze eher an aktuellen Singer/Songwriter-Nummer. Aber es ist vor allem der Kontrast der beiden weiblichen Stimmen, der diesem und auch vielen der folgenden Tracks seinen Reiz verleiht.
Es folgt ein wilder Streifzug durch die 1980er Jahre. New Wave, Synthie Pop, Gothic, Post Punk oder gar NDW werden in unterschiedlichsten Stilen gecovert. So wird aus "This is not a Love Song" eine perkussionslastige Bossa Nova-Nummer, "Girls on Film" kommt als locker swingender Jazz daher. Bei den folgenden "A Forest" und "Marian" bleiben die gruftigen Wurzeln allerdings erhalten. Besonders Schlagzeug und vor allem der Bass tragen daran ihren Anteil. Praktisch nur mit Gitarre und ein klein wenig Perkussion kommt "Eisbär" aus - dafür unterstützt das Publikum die beiden Sängerinnen beim Refrain tatkräftig. Dagegen ist "Should I stay or should I go", das Album und Tour seinen Namen gibt, kaum zu erkennen. Minimale Instrumentierung, Flamenco-Einflüsse und ein orgelndes Keyboard sorgen für die Untermalung. Erst gegen Ende nimmt das Stück deutlich an Fahrt auf und ein Blick in den Saal zeigt eine einheitliche hüpfende Menge. Schließlich werden wieder Depeche Mode bemüht. "I just can't get enough", zweistimmig gesungen endet mit einem überaus beeindruckenden Schlagzeug-Solo. Dabei besteht die einzige Beleuchtung auf der Bühne aus zwei Taschenlampen, die an den Drumsticks befestigt sind.
 


Nach diesem kleinen Intermezzo folgt mein persönliches Highlight des Abends. Ich bin ein bekennender Bauhaus-Fan, aber diese Version von "She's in Parties" kann durchaus mit dem Original mithalten. Die Stimmung ist beklemmend, das Schlagzeug dominiert, während der gestrichene Bass für einige atonale Verwerfungen sorgt. Um das Ganze abzurunden liefert das Keyboard eine erstklassige Bond-Soundtrack-Hommage.
>Für das folgende "Guns of Brixton" kommt Nadeah wieder auf die Bühne und die beiden anderen Sängerinnen beschränken sich auf Background-Vocals und Percussion. Auf Konserve eines meiner Lieblingsstücke und auch live macht es Spaß - nicht zuletzt wegen der gelungenen Pfeifeinlage. Für "Too Drunk to Fuck" zieht die Band das Tempo deutlich an - stilistisch geht es in Richtung Rockabilly mit großzügiger Surf-Gitarre.


Im Innenraum tanzen derweil zahlreiche Ü50er - teils in Abendgarderobe - zu einem Stück, das im Original von Dead Kennedys stammt. Eine sehr interessante Erfahrung. Es folgen noch Klassiker, "Master & Servant" und "Shout, obskurere Stücke wie "Human Fly", "This Charming Man" oder "In a manner of speaking", bevor die Band kurz vor 23 Uhr die Bühne verlässt.

Es ist zwar schon spät und eigentlich muss ich morgen früh wieder an meinem Arbeitsplatz sitzen, aber einen Abstecher an den Merch-Stand lasse ich mir nicht nehmen. Sowohl das neue Album von Nadeah als auch Should I stay or should I go wandern (natürlich signiert) in meine Tasche. Nach einem kleinen Schwätzchen mit den Musikern mache ich mich schließlich auf den Weg zum Auto und von dort nach Hause.

Wie war's?

Die Cover-Versionen Nouvelle Vague funktionieren live erstaunlich gut und ich war positiv überrascht. Neben Bossa Nova und Easy Listening hat die Band ihre Bandbreite um Americana, Rockabilly, Psychedelia, Swing, Jazz und einige weitere Versatzstücke erweitert.


Dies tut den Liedern ausgesprochen gut und es kommt keinerlei Langeweile auf. Teilweise gelingt es Marc Collin sogar, einzelne Aspekte der Stücke besonders herauszuarbeiten und die Stimmung der Originale zu übertreffen. Grade bei den Covern aus dem Gothic-Bereich funktioniert das hervorragend - was auch an den beiden Sängerinnen liegen dürfte. Zweifellos hat die Band viel richtig gemacht, denn das Publikum ging praktisch von Anfang bis Ende mit und es war meist Bewegung im Saal. Die Set-List deckte ein weites Spektrum ab - von Stücken an denen man in den 1980er nicht vorbei kam, über Tracks die auch heute nach oft im Radio oder auf einschlägigen Partys gespielt werden, bis hin zu obskurem Zeug, bei denen die Originale nur eingefleischten Fans bekannt sein dürften.


Ein oder zwei Sachen hätte ich gerne noch gehört - aber ich will mich nicht beschweren. Zum gelungenen Konzert hat Nadeah (eigentlich Nadéah Miranda) mit ihrer lockeren, direkten Art sicherlich ihren Anteil gehabt, was auch vom Publikum entsprechend honoriert wurde.

Der Frankfurter Hof hat sich glücklicherweise seit meinem letzten Besuch kaum verändert. Die Atmosphäre ist immer noch entspannt und familiär. Keine übel gelaunte Security, kein überfordertes Personal an der Theke und keine abbruchreifen sanitären Einrichtungen verderben hier den Konzertbesuch. Leider stehen jedoch kaum Veranstaltungen im Programmplan, die mich zum Besuch reizen. Aber das kann ja noch werden...

 


 

Sonntag, 20. Oktober 2024

Ein Kessel Schwarzes


[Lesung] Ein Kessel Schwarzes

Freitag, 18. Oktober 2024
Das Rind; Rüsselsheim

 

Luci van Org mit ihren zahlreichen Musikprojekten und Erzählungen, Christian von Aster mit seinen Büchern und Kurzgeschichten und Oswald Henke, vor allem durch seine Arbeit mit Goethes Erben, dürften den meisten unserer Leser zumindest vom Namen her bekannt sein. Alle drei habe ich im Laufe der Zeit bereits mehrfach auf Konzerten oder Lesungen gesehen.
Entsprechend neugierig war ich, als im letzten Jahr mit Ein Kessel Schwarzes ein gemeinsames Projekt angekündigt wurde. Der Themenschwerpunkt seinerzeit war "Leichenschmaus" - doch leider versäumte ich, mir rechtzeitig ein Ticket zu organisieren. Als dann im Frühjahr 2024 das zweite Programm mit dem Thema "Familiengericht" in den Vorverkauf kam, beeilte ich mich, eine Karte für einen der drei Auftritte zu bekommen. Glücklicherweise steht neben Bayreuth und Leipzig auch Rüsselsheim auf dem Tourplan. So muss ich mich nicht auf eine Reise durch die halbe Republik machen, sondern nur gut 40 km durch den freitäglichen Feierabendverkehr quälen.

Die Location

Das Rind ist ein gemütlicher, kleiner Club in Rüsselsheim, praktisch direkt am Main-Ufer gelegen. Durch das vielfältige Programm gibt es eigentlich immer einen Grund, dem Ort einen Besuch abzustatten. Der offene Bereich zwischen dem dazugehörigen Restaurant und der Veranstaltungs-Location ist durch zahlreiche Schirme gesichert - was beim einsetzenden Nieselregen durchaus angebracht ist. Gut eine Stunde vor Beginn haben sich hier schon die ersten Gäste versammelt und warten draußen, andere sind im Innern noch mit ihrem Abendessen beschäftigt.
 

Der Bühnenaufbau

Während ich mich mit Freunden unterhalte, wird die Schlange der Wartenden schnell größer und kurz nach 19 Uhr haben die Veranstalter ein Einsehen und lassen uns hinein. Normalerweise fasst Das Rind bei Konzerten exakt 262 Personen. Für Ein Kessel Schwarzes ist diese Anzahl deutlich reduziert. Im ganzen Raum sind kleine, runde Tische mit jeweils vier Stühlen verteilt, so dass das Publikum es sich gemütlich machen kann. Im hinteren Teil haben traditionell Mischpult und Merchandise-Stand ihren Standort - so auch an diesem Abend.
Bevor es losgeht, durchstöbere ich das ausliegende Angebot und finde tatsächlich noch Dinge, die meiner Sammlung fehlen. Nachdem ich an der Theke für eine kleine Stärkung gesorgt habe, begebe ich mich wieder zu meinem Platz, der sich praktischerweise am Bühnenrand befindet.

Ein Kessel Schwarzes

Schon vor dem eigentlichen Beginn des Auftritts kann man die drei Künstler im Raum herumwuseln sehen, bevor sie sich schließlich kurz vor 20 Uhr in den Backstage-Bereich zurückziehen. Das gibt mir Zeit, die Dekoration genauer zu betrachten: ein Tapeziertisch, abgedeckt mit einem schwarzen Tischtuch steht im Zentrum der Bühne. Darauf Kunststoff-Geschirr und ein kleiner Kessel - ebenfalls in Schwarz gehalten. Am rechten Rand stehen Stuhl, Mikrofon und akustische Gitarre, während links, etwas nach hinten versetzt ein Bistrotisch steht. Auch dieser ist mit einem schwarzen Tuch verhüllt und wird von zwei Stundengläsern gekrönt.

Voller Einsatz!
In diese Szenerie treten dann auch recht pünktlich die drei Akteure um in einer kleinen Einleitung ihren Empfang im Das Rind zu loben. In der anschließenden Vorstellung werden die Rollen für den Verlauf des Abends definiert. Herr Henke ist der Miesepetrige, Herr von Aster übernimmt den Part des Humorvollen und Frau van Org ist die Anstrengende bzw. die Musikalische - nur damit es nicht zu Missverständnissen kommt. Auch wird kurz auf das Programm, das "Familiengericht", eingegangen. Entsprechend beschäftigt sich der erste Teil mit Recht und Gerechtigkeit, während im zweiten Part die Familie im Fokus steht.

Nach dieser kurzen Einleitung nehmen die drei Künstler am Tisch Platz, um die Geschichte vom Zappel-Philipp des Frankfurter Arztes und Autors Heinrich Hoffmann nachzustellen. Am Ende der wortgetreuen Umsetzung und nach einem (altersgerechten) Stunt, ist das Geschirr über die Bühne verteilt, Herr Henke liegt in die Tischdecke gehüllt am Boden und beiden anderen schauen fassungslos auf das Chaos.
Im Anschluss an diese eher lockere, humorvolle Sequenz stellen Frau van Org und Herr von Aster noch einige Fakten zum islamischen Scheidungsrecht und zum Schutz von Frauen vor, bevor sie die Bühne verlassen.

Christian von Aster
Herr Henke, mittlerweile alleine am "Tisch der Wahrheit" (dem Bistrotisch), nimmt die Zuschauer mit auf einen historischen Exkurs zu den Aufgaben und Einnahmequellen eines mittelalterlichen Scharfrichters. Auf diesen folgt mit "Fleischschuld" ein vorgetragener älterer Text von Goethes Erben über eine beklemmende Dystopie. Die gedrückte Stimmung wird auch durch den Wechsel zu Frau van Org nicht aufgehellt, die nach weiteren Fakten zu Gewalt gegen Frauen mit "Somnio" ein akustisches Stück ihrer Band Lucina Soteira zum Besten gibt.
Nach einem erneuten Wechsel steht nun Christian von Aster auf der Bühne. Diesmal gibt es eine kurze Geschichtsstunde über den wahrscheinlich eifrigsten deutschen Henker Johann Reichhart. Die mittlerweile etwas gedrückte Stimmung wird schließlich durch zwei Kurzgeschichten über Narren, Henker, Hexenrichter und Kartoffeln aufgehellt. Zwischenzeitlich sind wieder alle drei auf der Bühne und erzählen teils sehr persönliche Anekdoten zu Gerechtigkeit, familiären Verhältnissen und jugendlichen Missetaten. Nach diesem längeren Teil folgt ein kurzer Faktenblock zu sexueller Gewalt. Dies bildet die Überleitung zur Lesung eines Kapitels aus Luci van Orgs (teil-)autobiografischen Buch Wir Fünf und ich und die Toten.

Luci van Org
Um die Zuschauer nicht mit dieser doch etwas beklemmenden Stimmung in die Pause zu entlassen, folgt eine musikalische Darbietung, bei der alle drei beteiligt sind. Dabei handelt es sich um eine sehr gewöhnungsbedürftige, aber spaßige Cover-Version von "Der Kommissar", die den ersten Teil des Abends abschließt.

Nach einer wirklich kurzen Pause betreten Frau van Org und Herr Henke wieder die Bühne. Dieser zweite Teil konzentriert sich auf den Familien-Aspekt des Programms. Als Einleitung tragen die beiden eine akustische Version von "Orangenschiffchen" vor. Ein, trotz der Erklärung, skurriles Stück, zu dem Herr von Aster mit einem silbernen Tablett durch den Zuschauerraum geht und eben jene Obststücke an die anwesenden Mütter verteilt.
Daran schließt sich wieder eine kurze Runde Statistiken an - diesmal über Familien und Armutsgefährdung. Dies nutzt Christian von Aster als Überleitung zu einer Lesung aus seinem Kinderbuch "Der Nichtnutz", in welcher der Autor einen kritischen Blick auf Konsumverhalten wirft. Obwohl es noch etwas früh dafür ist, folgt ein Gedicht über den "Weihnachts-Dreikampf" - den normalen Wahnsinn bei einer durchschnittlichen Familien-Weihnachtsfeier.
An dieser Stelle übernimmt Frau van Org wieder die Bühne und liefert Zahlen zu Kindersterblichkeit, bevor sie ein weiteres, eher surreales Kapitel aus ihrem aktuellen Buch liest. In der Folge gewähren alle drei sehr persönliche Einblick in ihr Leben - teils lustig, teils beklemmend und teils skurril.

Der Tisch der Wahrheit
Für die Erziehungsberechtigten folgt ein Ratgeber von Oswald Henke. Allerdings ist es nicht empfehlenswert, diese Tipps in der Praxis anzuwenden. Als Ergänzung dazu ist es wieder Zeit für einige Fakten und Statistiken, diesmal zum Thema Körperstrafen.

Als Abschluss des Abends folgt ein weiteres Musikstück - wiederum eine Cover-Version. "Mein Name ist Mensch", ursprünglich von Ton Steine Scherben, lässt viel Interpretationsspielraum und rundet das Programm sehr passend ab.

Damit endet der Auftritt und Das Rind leert sich recht schnell. Dennoch bleiben alle drei Künstler noch eine ganze zeitlang vor Ort, plaudern mit dem verbliebenen Publikum, geben Autogramme und beantworten Fragen. So dauert es tatsächlich doch etwas länger, bis ich mich schließlich wieder auf den Heimweg mache.

Wie war's?

Schee wars!
Wie eigentlich, angesichts der beteiligten Künstler, nicht anders zu erwarten, war Ein Kessel Schwarzes eine sehr ungewöhnliche Veranstaltung. Im einen Moment gab es herzhafte Lacher, und im nächsten erhält die Stimmung durch bedrückende Fakten oder eine tiefgehende persönliche Erfahrung einen herben Dämpfer. Die abwechslungsreiche Mischung aus Musik, Lesung und Plauderrunde war erstaunlich unterhaltsam und hat sehr gut funktioniert. Das die stellenweise doch beklemmenden Themen (und Statistiken) niemandem nachhaltig den Abend verdorben haben ist der große Verdienst der Akteure. 

Dazu trug auch die Chemie zwischen den dreien erheblich bei. Trotz unterschiedlichster Lebensläufe und familiärer Hintergründe, trotz kaum zu vergleichenden kreativen Output passt es einfach zusammen. Die lockere Stimmung auf der Bühne übertrug sich auch auf die Zuschauer und sorgte für gute Unterhaltung - selbst wenn mehr als einmal das Lachen im Halse stecken blieb.
Insgesamt ein sehr schöner, entspannter, lustiger, nachdenklicher und unterhaltsamer Abend in wirklich toller Atmosphäre.

 

Dienstag, 1. Oktober 2024

Madness; Boss Capone & Patsy


[Konzert] Madness
Support: Boss Capone & Patsy
Freitag, 20. September 2024
Palladium; Köln

 

Nachdem mich das letzte Album der "Ska-Berserker" (so eine Musik-Postille Mitte der 1980er) doch sehr angenehm überrascht hat, ist die Vorfreude groß, dass Madness im Rahmen ihrer Tour mit zwei Terminen auch hier Station machen. Wenn man nach C'est la vie geht, sind die Musiker, mittlerweile alles gesetztere Herren jenseits der 60, deutlich ruhiger geworden. Nicht geändert hat sich der teils kritische, teils zynische Blick auf das heimische Umfeld der Londoner. So wurden auf dem Album die Veränderung der Stadt, der Brexit und auch die Auswirkungen von Corona thematisiert. Auf jeden Fall freue ich mich, die Band wieder live sehen zu können!
Die beiden deutschen Tourtermine (die einzigen auf dem europäischen Festland) sind in Köln und Berlin, was die Entscheidung für mich relativ einfach macht. Da mein Zeitplan in den nächsten Wochen ohnehin mit zahlreichen Messen, Konzerten, Lesungen und privaten Terminen vollgestopft ist, wähle ich natürlich den Auftritt in der Domstadt. Nicht nur bin ich vom Büro aus in gut zwei Stunden vor Ort - ich kann anschließend direkt wieder nach Hause fahren. Obwohl mein Entschluss relativ kurzfristig fällt, bekomme ich dennoch problemlos eine Karte für den Freitag im Palladium.

Nachdem mein Arbeitstag bereits um 6 Uhr morgens begonnen hat, verabschiede ich mich schon mittags in den Feierabend. Die Navigations-App verspricht freie Fahrt über die A3, so dass ich tatsächlich noch einen Abstecher in die Kölner Innenstadt einplane. Bis kurz hinter Siegburg verläuft die Reise auch zügig und ereignislos - doch dann geht in einer Baustelle nichts mehr. Eine gute Stunde benötige ich für den Kilometer, an dessen Ende ein LKW Teile der Absperrung mitgenommen hat. Nachdem ich dieses Hindernis passiert habe, läuft der Rest recht entspannt, zumindest bis ich im Kölner Feierabendverkehr lande. Glücklicherweise muss ich nicht direkt in die Stadt, sondern bleibe im rechtsrheinischen Mülheim. Da es immer noch relativ früh ist, ergattere ich einen Parkplatz praktisch genau vor dem Eingang der Halle - so bleibt mir immerhin ein langer Fußmarsch ins nächste Parkhaus erspart.
Gemäß meinem ursprünglichen Plan fahre ich mit der Straßenbahn in Richtung Dom und Innenstadt. In der Hohen Straße drücken sich Horden von Touristen und Einheimischen aneinander vorbei und ich beeile mich, in eine der Seitengassen abzubiegen, um einige Besorgungen zu erledigen. Schwer beladen mit Einkäufen geht es bald darauf wieder zum Hauptbahnhof. Allerdings lasse ich es mir nicht nehmen, bei meiner bevorzugten Imbissbude eine kleine Stärkung zu verspeisen.

Die Location

2-tone-Design
Obwohl es noch eine gute Stunde bis zur Öffnen der Tore hin ist, hat sich bereits eine veritable Schlange vor dem Palladium gebildet, als ich zurückkehre. Ich reihe mich ein und schnell kommt man ins Gespräch. Diese drehen sich um vergangene Konzerte, zu früh verstorbene Musiker oder Vor- und Nachteile der verschiedenen Veranstaltungsorte. Für einen Mitfünfziger, der wenige Meter hinter mir steht, ist dies bereits das achte Auftritt auf der aktuellen Madness-Tour - was ich schon ein bisschen beeindruckend finde. So vergeht die Zeit recht schnell und exakt um 18.30 Uhr beginnt der Einlass.

Es ist für mich das erste Mal in dieser Location und so schaue ich mich interessiert um. Hohe Decken in der Vorhalle, eine geschmackvolle Inneneinrichtung und flinkes Thekenpersonal machen einen sehr guten Eindruck. Mein persönliches Highlight sind allerdings die Toiletten im Keller. Passend zur Musik sind Wände und Boden im klassischen schwarz-weißen 2-tone-Muster gefliest; hinzu kommt ein Waschbecken, das mitten im Raum steht. Der Konzertsaal wirkt ebenfalls recht ansprechend. Eine umlaufende Galerie ist für (wahrscheinlich) geladene Gäste vorbehalten, aber auch so ist die Räumlichkeit gut aufgeteilt. Eine Theke am Hallenrand sorgt für das leibliche Wohl, nur wenige Stahlträger versperren die Sicht und die Lüftung scheint gut zu funktionieren. Schnell sichere ich mir einen Platz direkt an der Absperrung, der einen freien Ausblick auf die Bühne erlaubt.

Der DJ

Stilisch!
Während sich die Halle langsam füllt, steht am linken Bühnenrand, also direkt vor mir, ein älterer Herr im schicken Anzug und lässt die Tonträger kreisen. Hier gibt es ganz klassisch frühen Ska, Rocksteady und Reggae auf die Ohren, aber auch Northern Soul. Er macht seinen Job so gut, dass bereits vor dem Beginn des eigentlichen Konzerts Bewegung in die Besucher kommt. Einige Späßchen mit den Leuten in der ersten und zweiten Reihe lockern die Atmosphäre zusätzlich auf. Kurz vor 20 Uhr wird es Zeit für die Vorband und das Pult wird an die Seite geschoben und er verabschiedet sich von der Bühne.

Nach dem Auftritt von Boss Capone & Patsy folgt während der halbstündigen Umbaupause der zweite Teil des DJ-Sets. Dieser wird ebenfalls maßgeblich durch Musik der 1960er bestimmt, aber es finden auch "modernere" Stücke ihren Weg auf die Turntables. Bei einigen davon handelt es sich um ungewöhnliche Cover, beispielsweise "Das Model" oder "Insane in the Brain". Den Schlusspunkt setzt dann "Jump Around" von House of Pain, bei dem wirklich niemand mehr im ausverkauften Palladium still steht. Anschließend wird der DJ (völlig zurecht) vom Publikum mit Applaus verabschiedet.

Boss Capone & Patsy

Boss Capone kannte ich bisher nur als Frontmann der Jogginganzug-Träger von The Upsessions, die ich schon mehrfach auf verschiedenen Festivals gesehen hatte. Nun also mit neuer Band, anderer Optik und der reizenden Patsy am Mikrofon.

Boss Capone mit vollem Einsatz
Musikalisch geht es mit der Handvoll Stücke des gut halbstündigen Sets auf eine Reise tief zurück in die 1960er. Die sieben Musiker pendeln zwischen entspanntem Reggae und etwas druckvollerem Ska, komplett mit Saxophon und Orgel. Die Rhythmus-Sektion drängt sich dabei nicht in den Vordergrund, sorgt aber dafür, dass die Stücke zuerst ins Ohr und dann in die Füße gehen. Das Zusammenspiel zwischen Sängerin und Sänger funktioniert am besten, wenn sie gemeinsam am Werk sind. Auch außerhalb des Gesangs harmonieren die beiden recht gut und sorgen dafür, dass der Auftritt nicht langweilig wird. Der Schwerpunkt des Sets liegt, angefangen bei "I am the King" über "Here comes the Train" bis zu "Kings & Queens" beim gleichnamigen Album aus dem letzten Jahr. Den Abschluss bildet schließlich "Woman you a Scorpion" von der aktuellen Veröffentlichung Blackfire. Damit verabschiedet sich die Band von der Bühne des Palladium um Platz für den DJ zu machen, der sein Set während der kurzen Umbaupause fortsetzt.
Insgesamt ein Auftritt, der beim Publikum recht gut ankommt und die Wartezeit auf das eigentliche Highlight des Abends angenehm verkürzt.

Madness

Während man auf der abgedunkelten Bühne Bewegungen erahnen kann, läuft auf der großen Video-Leinwand ein Countdown herunter. Schließlich gehen die Lichter an und Suggs McPherson spricht die Worte ins Mikrofon, auf die alle gewartet haben: "Hey you! Don't watch that, watch this...".

Los gehts!
Mit "One Step Beyond", das Stück, mit dem die mittlerweile 45jährige Karriere der Band ihren Lauf nahm, beginnt das Konzert. Dabei werden die sechs Bandmitglieder von drei Bläser und einem Percussionisten unterstützt. Der Titel hat auch nach dieser langen Zeit nichts von seinem Druck und seiner Eingängigkeit verloren. Allerdings hat sich das Tempo ein wenig verlangsamt. Dies tut der Reaktion des Publikums keinen Abbruch - es wird ab dem ersten Ton ausgelassen gefeiert. Es folgen mit "Embarrassement" und "The Prince" ältere Stücke der frühen Alben.
Mit "C'est la Vie" folgt der Titeltrack des aktuellen Longplayers - der es tatsächlich auf den ersten Platz der britischen Album-Charts geschafft hat. Lee Thompson hat merklich Spaß an seiner Arbeit am Saxophon und gibt praktisch den Alleinunterhalter. Das Zusammenspiel der Rhythmussektion mit den Bläsern sorgt hier für einen interessanten Kontrast, der gelegentlich durch extensive Keyboard-Parts unterbrochen wird.
Mike Barson an den Tasten nimmt auch beim folgenden "NW5" eine herausragende Rolle ein. Die lockere Instrumentierung kann nicht ganz über die leicht melancholische Grundstimmung hinwegtäuschen. Aber ich freue mich, dass es ein Track meines Lieblingsalbums in die Setlist des Konzertes geschafft hat. Es folgen mit "My Girl" und "The Sun and the Rain" wiederum ältere Stücke, beide nicht unbedingt typische beschwingte Partymusik und mit ernsteren Texten. Das Live-Arrangement setzt andere Schwerpunkte als die Originalaufnahmen - was sehr gut funktioniert.

Lee Thompson gibt alles
Glücklicherweise hat es auch mein ganz persönliches Highlight vom neuen Album in die Setlist geschafft. Eigentlich passt "Hour of Need" gar nicht zu einer Band, die sich ihren Namen mit locker-leichten, aber häufig hintersinnigen Liedern gemacht hat. Für mich eines der emotionalsten Stücke, die ich seit langer Zeit gehört habe - und mein heimlicher Höhepunkt des letzten Albums. Die etwas gedrückte Stimmung wird sofort durch "Wings of a Dove" und "Lovestruck" aufgehellt, beide wieder aus frühen Veröffentlichungen.
Praktisch nur auf Percussion und Bläser setzt "Run for your Life". Im Prinzip besteht das Stück aus einer Aufzählung von Katastrophen angefangen beim Brexit, über den Klimawandel, Corona und den Krieg in der Ukraine. Trotzdem bleibt bei dem Rhythmus eigentlich keine andere Wahl, als mitzuhüpfen. Ein Blick nach hinten zeigt, dass es mir damit nicht alleine so geht.
Danach folgt ein Ausflug weit zurück in die Bandgeschichte - allerdings nicht 126 Jahre, wie Sänger McPherson behauptet. Bei "Bed and Breakfast Man" und "Shut Up" erweist sich das Publikum als textsicher und singt lautstark mit. Hier ist noch der typische "nutty sound" zu hören, der Madness von anderen Ska-Gruppen der Zeit abhob. Mit "Taller Than You Are" kommt sogar eine gepflegte Rocksteady-Nummer vom Dangermen-Album, mit dem die Band auf Spurensuche in den 1960er ging. Hier sind es das wild orgelnde Keyboard und die harmonischen Bläsersätze, die im Gedächtnis bleiben. Schließlich folgt ein Lobgesang auf "Mr. Apples" - einen typischen Vertreter der britischen Oberschicht. Danach verlassen die Bandmitglieder, von den Herren Foreman und Woodgate abgesehen, die Bühne. Chris Foreman übernimmt das Mikrofon und plaudert in gewöhnungsbedürftigem Denglisch mit dem Publikum. Anschließend gibt er eine recht spezielle Karaoke-Version von "Highway to Hell" zum besten.
Suggs McPherson

Nach diesem kurzen Intermezzo kommt die Band wieder auf die Bühne und legt mit "House of Fun", "Baggy Trousers" und "Our House" richtig los. Alle drei Stücke haben nichts von ihrem Schwung verloren und das Publikum erweist sich, wenig überraschend, sowohl als textsicher, wie auch tanzfreudig. Sicher wäre ein Madness-Konzert ohne dieses Hattrick nicht denkbar - unbestreitbar der Höhepunkt des Abends. Deutlich ruhiger geht es dann mit "It must be Love" weiter - bei dem schließlich die Besucher den Gesang übernehmen dürfen. Damit verabschiedet sich die Band erneut von der Bühne. Nur um kurz darauf wieder zu kommen und die Zugabe zu spielen.
Mit "Madness" vom Debüt-Album wird das Publikum noch einmal diskret hingewiesen, wer hier auf der Bühne steht. Erneut ist es ein Saxophon-Solo, das hervorsticht. Das Stück geht nahtlos in einer SEHR ungewöhnliche und lange Version von "Night Boat to Cairo" über, mit der die Band gerne Konzerte beendet. So ist es auch in diesem Fall und nach fast 90 Minuten verlassen die Musiker endgültig die Bühne.

Eigentlich ist mein Plan, mich direkt auf den Heimweg zu machen, da ich am nächsten Tag noch einige Dinge erledigen muss. Doch kurz vor dem Ausgang treffe ich Bekannte aus dem benachbarten Düsseldorf, die ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen habe. So folgt ein längerer Abstecher an die Bar - an der immer noch Gedränge herrscht. Es ist nach Mitternacht, als ich mich schließlich müde, aber glücklich, hinter das Steuer meines Wagens setze.

Wie war's?

Um es kurz zu machen: Ein rundum gelungenes Konzert in einer hübschen Location. Zumindest für mich direkt an der Bühne war der Sound recht gut. Über den Klang im Rest des Saales habe ich im Nachgang unterschiedliche Meinungen gehört. Der Stimmung im Publikum hat dies jedoch keinen Abbruch getan. Praktisch die ganze Zeit (auch beim DJ und der Vorband) war Bewegung - obwohl auf wilde Skankin'-Exzesse verzichtet wurde. Das mag natürlich dem Alter der Besucher geschuldet sein, aber auch der vollen Halle.

Eine kleine Gedächtnisstütze
Die Auswahl der Setlist pendelte zwischen einem (zwangsläufig) abgespeckten "Best Of" und einem Einblick in das aktuelle Album. Dazwischen fand die Band immer wieder Platz, um Stücke von jedem der 13 Alben unterzubringen. Natürlich sind 90 Minuten viel zu wenig, um alle wichtigen und bekannten Titel zu berücksichtigen. So haben mir letztendlich doch ein oder zwei meiner persönlichen Favoriten gefehlt, aber damit kann ich gut leben. Bei der Band hatte ich nicht den Eindruck, dass sie einfach nur ihr Set herunterspielen, sondern mit Spaß an der Sache dabei sind. Während sich die Herren Barson, Woodgate und Bedford weitgehend im Hintergrund halten, spielt sich Gitarrist Chris Foreman im wahrsten Sinne des Wortes öfters ins Rampenlicht. Saxophonist Lee Thompson sorgt in wechselnden Outfits und seinen häufigen Positionswechseln für einige Lacher. Sänger Suggs McPherson kommentiert fast jedes Stück mit kurzen Sätzen, und sucht die Kommunikation mit dem Publikum. Stimmlich hakt es zwar an manchen Stellen ein wenig, aber darüber lässt sich gut hinweg sehen. Insgesamt eine sehr ordentliche Leistung, die die sechs Herren (eigentlich schon im Rentenalter) hier abliefern.

 

Sonntag, 15. September 2024

Amigo Spielefest 2024

 


[Messe] Amigo Spielefest 2024

Sonntag, 8. September 2024
Capitol; Dietzenbach


In seiner langen Geschichte hat das Amigo Spielefest schon an einigen unterschiedlichen Orten Station gemacht - beispielsweise Rothenburg ob der Tauber und Braunfels (seinerzeit als Fantasy-Spielfest), Kassel, Mainz oder Köln. Die letzten beiden Jahren hat man sich entschlossen einfach zu Hause zu bleiben und die Veranstaltung im Dietzenbacher Capitol auszurichten.

Eigentlich hatte ich vorgehabt, bereits am Samstag zur Deutschen Wizard-Meisterschaft vor Ort zu sein. Aber leider hat das zeitlich ganz und gar nicht hingehauen. Also schwinge ich mich am frühen Sonntag Morgen auf die Straße.

Dank einer, im Navi, falsch eingegebenen Postleitzahl, stehe ich kurz vor 10 Uhr mitten in Offenbach in einem Wohngebiet. Hier mögen viele Dinge vonstattengehen - Brettspiele sind es sicherlich nicht. Weitere zehn Minuten später bin ich dann tatsächlich an der richtigen Adresse in Dietzenbach gelandet. Der Parkplatz vor der Halle ist zwar nicht ausgestorben, aber es herrscht auch kein Gedränge.


Nachdem ich mir einen kleinen Überblick verschafft habe, folgt ein kurzer Marschplan. Schminken und die Hüpfburg lasse ich erstmal links liegen, ebenso wie den Shop und die Turniere. Bei Amigo gehört es schon fast zur Tradition, die Neuheiten bereits wenige Wochen vor der SPIEL in Essen zu veröffentlichen. Und so sind hier zahlreiche Spiele zu sehen, die praktisch druckfrisch aus der Fabrik kommen. Da die Erklärteams aktuell nicht viel zu tun haben, nutze ich die Gelegenheit und lasse mir fast alle Spiele erklären oder wage gar eine Testrunde.

 

Die Neuheiten

Ich beginne meinen Rundgang im Keller. Hier befinden sich - etwas undankbar gelegen - eine Handvoll Spieltische. Besonders neugierig bin ich auf 3 Chapters, ein märchenhaftes Stichkartenspiel. Ich setze mich mit einem netten, wenn auch heiseren, Rotkäppchen an den Tisch und lasse mir die Abläufe und Spielhintergründe erklären. Die kurze Demo-Runde macht auf jeden Fall Lust auf mehr und auch die schicke Grafik weiß zu gefallen.


Meine nächste Station befindet sich ein paar Schritte weiter. Bereits fünf Jahren hat L.A.M.A. von Dr. Reiner Knizia auf dem Buckel. Nach einer Würfel-Variante und einer Party-Edition veröffentlicht der Verlag mit L.A.M.A.Kadabra weiteren Zuwachs. Hier wird das Grundkonzept aufgegriffen und um einige willkommene Interaktionen zwischen den Spielern erweitert. Dem ersten Eindruck nach, tut dies dem Ablauf sehr gut.
Eigentlich will ich einen kurzen Abstecher vor die Tür machen, doch der Wind ist mittlerweile so stark geworden, dass es die Aufsteller umweht. Auch die beiden verwaisten Hüpfburgen schwanken bedenklich, so dass sie in aller Eile abgebaut werden. Der einsetzende Starkregen treibt mich dann vollends zurück in den Schutz der Halle.

Ulisses Spiele haben leider ihre Anwesenheit kurzfristig krankheitsbedingt absagen müssen. Damit entfällt ein kompletter Programmpunkt, den ich eigentlich fest eingeplant hatte. Doch immerhin ist die neue Wizard-Ausgabe fertig geworden. Diese steht ganz im Zeichen des 40sten Jubiläums von Das Schwarze Auge, wohl dem bekanntesten deutschsprachigen Rollenspiel. Neben frischen Illustrationen gibt es auch eine Sonderkarte, die ein wenig Einfluss auf den Spielverlauf nimmt. Außer den Zeichnungen fällt hier vor allem die schicke Verpackung ins Auge, die einen sehr wertigen Eindruck macht. Eine ähnliche Schachtel kommt, nebenbei erwähnt, auch bei den Jubiläumsausgaben von Saboteur sowie 6 nimmt! und dem neuen 3 Chapters zum Einsatz.


Eine weitere Neuheit ist das diebische Würfelspiel Beutezug. Hier versuchen die Spieler Karten zu erbeuten, in dem sie einen Würfelpool nutzen. Neue Karten ermöglichen dabei die Modifikation von Würfen oder geben andere Boni. Ebenfalls ein interessantes Spiel, dass gut in das Verlagskonzept passt.
Nach einer kurzen Erklärung und Zuschauen bei einer Testrunde muss ich sagen, dass Burger Slam wohl eher nichts für mich ist. Burger aus verschiedenen Zutaten zusammenbauen klingt noch einigermaßen machbar, aber die schnellen Abläufe überlasse ich dann gerne jüngeren Spielern. Das Gleiche gilt auch für die neue Serie von Malspielen Pick a Pen.

Lieber werfe ich noch einen Blick auf die beiden Kartenspiele No Thanks! und Combo Up. Das erstere gefällt mir mit seinen taktischen Überlegungen und dem flüssigen Spielverlauf recht gut, während beim letzteren (eine überarbeitete Neuauflage hiervon) der Funke nicht wirklich überspringen will.


Im Hauptsaal sind in der ganzen Zeit zahlreiche Turniere im Gange. Bei SET, Saboteur, Bohnanza - Das Duell und 6 nimmt! wird jeweils um den Titel des Deutschen Meisters gerungen. Darüber hinaus gibt es ein Qualifikationsturnier für die Wizard-Meisterschaft im nächsten Jahr. Meine Zeiten als Turnierspieler liegen lange hinter mir, dennoch lasse ich es mir nicht nehmen, an den Tischen vorbei zu schlendern. Hier wird doch teilweise auf einem ganz anderen Niveau gespielt, als bei den heimischen Runden. Vor allem bei SET finde ich die Geschwindigkeit erschreckend, in der die Spieler die verschiedenen Karten-Trios erkennen.

Und sonst?

Zum Abschluß schaue ich mir die Auslagen des kleinen Shops an, der zusammen mit der Spieleausleihe, in einer Nebenhalle seinen Platz gefunden hat. Neben den Neuheiten und Klassikern des Verlags finden sich hier auch einige Spiele, die ich nicht so einfach beim Dealer meines Vertrauens bekommen. Vor allem eine Bohnanza-Ausgabe mit neuen Artworks, deren Verkaufserlös einer Stiftung zugutekommt, hat es mir angetan. Ähnlich geht es mir mit Dahlias, der Bohnanza-Version für den US-amerikanischen Markt, bei der statt Bohnen Blumen angebaut und gehandelt werden müssen. Nachdem ich auch hier ein bisschen Geld gelassen habe, drehe ich eine abschließenden Runde und unterhalte mich mit einigen Besuchern und Mitgliedern des Demo-Teams.


Schließlich lässt der Regen soweit nach, dass ich es halbwegs trocken über den Parkplatz zu meinem Wagen schaffe und mich wieder auf den Heimweg mache.
Alles in allem hat der Verlag hier eine sehr schöne, familiäre Veranstaltung auf die Beine gestellt, die ich als gelungenes "Warm-Up" für die SPIEL in drei Wochen empfinde. Der Besucherandrang am Sonntag hielt sich insgesamt in einem überschaubaren Rahmen, was sicherlich auch zu einem Gutteil dem wirklich miserablen Wetter geschuldet war. Am Vortag muss doch deutlich mehr Gedränge geherrscht haben.

Die offizielle Nachlese zur Veranstaltung gibt es auf der Homepage von Amigo. Dort gibt es auch eine Übersicht zu den Turnieren und mehr Bilder.

Sonntag, 21. April 2024

Der Fluch; Goldgrube; Kassel


[Konzert] Der Fluch

Support: Kadeadkas
Dienstag, 31. März 2024
Goldgrube, Kassel

 


In den Beginn meiner musikalischen Sozialisation, etwa Mitte der 1980er Jahre, fällt eines der ersten "großen" Konzerte, die ich seinerzeit besuchte. Im örtlichen Jugendzentrum, mit vielleicht 80 Besuchern ausverkauft, spielte damals die Leverkusener Punk-Band OHL. An den Auftritt selbst kann ich mich nicht mehr erinnern - aber an die Schallplatte, die ich im Anschluss beim Merch-Stand kaufte.
Dabei handelte es sich um ein Nebenprojekt des Sängers mit dem vielversprechenden Namen Der Fluch. Sowohl Cover wie auch die Titel der Stücke sprachen mich (als angehenden Gruftie) doch sehr an. Musikalisch gab es etwas auf die Ohren, dass man "Horror-Punk" nannte. Ich war schwer beeindruckt, verlor die Band jedoch aus Mangel an Veröffentlichungen und Auftritten bald aus den Augen. Erst nach einer über zehnjährigen Pause gibt es neues Material und die eine oder andere Tour. Allerdings sollte es noch einmal fast 20(!) Jahre dauern, bis ich einen Versuch starte, die Band live zu sehen. Beim ersten Anlauf auf dem Kölner Amphi 2015 wird das Konzert aufgrund eines Unwetters abgesagt. Im folgenden Jahr hatte ich dann mehr Glück und konnte die Musiker auf der Bühne im Schiff sehen - für mich eines der Festival-Highlights.

Weitere Konzerte von Der Fluch finden mittlerweile immer wieder einmal statt - allerdings meist nicht in meinem unmittelbaren Einzugsbereich. Auch der Auftritt in Kassel am Ostersonntag ist eigentlich ein bisschen zu weit weg. Andererseits habe ich über die Feiertage keinerlei Verpflichtungen und mit dem Landesticket würden sich auch die Fahrtkosten in einem überschaubaren Rahmen halten. Also bestelle ich kurzentschlossen eine Karte für das Konzert in der Kasseler Goldgrube. Für die Übernachtung ist schnell ein günstiges Hotel im Bahnhofsviertel gefunden. Und damit ist alles bereit für einen kleinen, spontanen, Ausflug nach Nordhessen.


An einem verschlafenen, ruhigen Sonntag Morgen mache ich auf den Weg nach Wiesbaden, parke das Auto im Büro und schlendere zum Hauptbahnhof. Die Zugfahrt in Richtung Kassel mit zwei Regionalbahnen verdränge ich dagegen am besten gleich wieder. Als ich nach drei Stunden mein Ziel erreicht habe bin ich hochgradig genervt, durchgeschwitzt und habe in menschliche Abgründe geblickt. Auch das Hotelzimmer kann die Erwartungen, die die gediegene Eingangshalle weckt, nicht annähernd halten.

Da die Temperatur recht angenehm ist, mache ich mich nach einer kurzen Verschnaufpause kurzentschlossen zu Fuß auf den Weg zur Goldgrube. Da ich noch nie wirklich in der Kasseler Innenstadt war, nutze ich die Gelegenheit auch für ein wenig Sightseeing - was ich mir allerdings hätte sparen können. Schließlich erreiche ich die Location und laufe prompt daran vorbei. Ein Blick auf die Navigationssoftware meines Telefons bringt mich jedoch schnell wieder auf den richtigen Weg. Wirklich auffällig ist der Eingang tatsächlich nicht - aber mittlerweile stehen einige Besucher vor der verschlossenen Tür. Der Andrang ist immer noch überschaubar, dadurch ergibt sich für Sänger Deutscher W. die Gelegenheit, die anwesenden Gäste persönlich zu begrüßen. Das nenne ich Kundenservice!

Das Konzert

Als sich kurz nach 19 Uhr die Tür öffnet, haben sich auch ein paar Besucher mehr eingefunden. So geht es dann eine schmale Wendeltreppe hinunter in den Club. Für mich ist es eine Premiere und so schaue ich mir die Lokalität interessiert an. Direkt neben der Treppe befindet sich die Einlasskontrolle zusammen mit der Garderobe, danach geht es in den Hauptraum. Ein kleiner Merch-Stand ist aufgebaut - allerdings ist die Auswahl recht überschaubar. Die langgezogene Theke nimmt eine komplette Seite des Clubs ein, die Bühne eine weitere. Die Decke ist relativ niedrig, die Beleuchtung schummerig und der ganze Laden macht einen gemütlichen Eindruck. Im Gegensatz zur Kasseler Innenstadt fühle ich mich hier direkt wohl!

Während ich an meinem Getränk nippe und mir einen Platz an der Bühne sichere, kommen immer mehr Gäste die enge Treppe hinunter. Der DJ sorgt derweil für angemessene musikalische Unterhaltung mit einem Schwerpunkt auf frühen Goth-Rock und Post-Punk. Ein Blick auf das Publikum zeigt eine sehr durchmischte Gruppe. Grufties, Punks, Skinheads und Metaler jeglicher Altersstufen tummeln sich in dem Gewölbe. Zwei Paare haben sogar ihren Nachwuchs mit auf das Konzert genommen.


Kurz vor 20 Uhr betreten schließlich Kadeadkas die Bühne. Das Quartett aus Köln war mir bis dahin völlig unbekannt. Die Band präsentiert sich mal rockig, huldigt dann wieder dem Post-Punk der frühen 1980er Jahre und lässt auch eine Portion Gothic nicht vermissen. Sängerin Kati schafft es leider zu Beginn nicht immer sich gegen Gitarre, Schlagzeug und vor allem den sehr dominanten Bass zu behaupten. Trotzdem nehmen die Kölner das Publikum mit. Es trauen sich sogar einige Gäste vor der Bühne das Tanzbein zu schwingen. Im späteren Verlauf nehmen dann auch die Vocals den Raum ein, der ihnen zusteht; teilweise unterstützt vom Bassisten. Die einnehmende Bühnenpräsenz der Sängerin tut ihr Übriges, um den Auftritt gelungen abzurunden - einschließlich eines klitzekleinen Self-Bondage mit dem Mikrofon-Kabel.
 


Gut 40 Minuten dauert das Set, bevor die Band die Bühne frei macht. Nach einer kurzen Verschnaufpause ist dann auch der Merch-Stand mit der Frontfrau besetzt. Diese Gelegenheit nutze ich, um mir das Debut-Album "HalluciNation" zu holen und signieren zu lassen. Die restlichen Musiker haben sich derweil mit Getränken versorgt und warten mit dem Publikum auf den Einsatz der Hauptband.

Nach einer kurzen Umbaupause ist es dann endlich Zeit für Der Fluch. Ein zufälliger Besucher könnte rein von der Optik wahrscheinlich eher an eine Jazz-Kombo denken: vier Herren gesetzteren Alters in schwarzen Anzügen und mit Sonnenbrillen betreten die Bühne. Vom Band läuft derweil das Intro einer Hörspielreihe - ich vermute Gabriel Burns.

Ohne weitere Umschweife geht es dann mit "Ich bin der Fluch" los. Beinahe ab dem ersten Ton ist Bewegung im Saal und das Publikum erweist sich als erstaunlich textsicher. Musikalisch gibt es bewährte Kost auf die Ohren - gradlinigen Punk, Rock der härteren Gangart, ruhige Parts, aber auch melodische Strukturen des Psychobilly vermischen sich zu einem funktionierenden Ganzen. Dazu plakative Texte, die kaum ein Horror-Klischee auslassen und sich gerne an einschlägigen Film-Themen bedienen. Die Musik der Band ist sicherlich nicht nach jedermanns Geschmack - aber die Anwesenden sind durchweg am Feiern.


Die Musiker spielen sich in der nächsten Stunde durch gut 40(!) Jahre Bandgeschichte. Wobei der Schwerpunkt, so mein Eindruck, auf dem selbstbetitelten Album von 1982 liegt. "Hexen leben länger", "Asche zu Asche" oder beispielsweise "Herr der Fliegen" klingen immer noch recht frisch und kommen druckvoll aus den Boxen um. Mit "Das Grauen geht um heut Nacht" hat die Band sogar ein romantisches Liebeslied im Repertoire - zumindest kündigt es Deutscher W. so an. Insgesamt tragen die launigen Anmoderationen des Sängers ebenso wie die gelegentlichen Ausflüge in den Zuschauerraum und die Interaktion mit dem Publikum sehr zu dem guten Gesamteindruck bei. Die Stimmung ist hervorragend und bis in die letzten Reihen herrscht Bewegung.


Der Hauptteil des Sets endet nach gut einer Dreiviertelstunde mit dem grandiosen "Rattengift". Der Refrain wird hier lautstark mitgesungen/-gegröhlt und Deutscher W lässt das Mikrofon in der ersten Reihe herumgehen, so dass jeder seinen Beitrag leisten kann.

Nach einer winzig kleinen Pause gibt es ein schmuckes Gitarrensolo, bevor der zweite Teil des Auftritts mit "Hexen sind schön" fortgesetzt wird, das nahtlos in "Betet für uns" übergeht. Mit "Die Nacht der Toten" folgt praktisch der Abschied der Band. Schließlich endet das gut einstündige Set mit DEM Klassiker schlechthin: "Halb Mensch halb Tier". Hier gibt der Sänger noch einmal alles, streift durch den Saal, kriecht auf der Bühne und holt sich kurz Verstärkung von der Sängerin der Kadeadkas. Mittlerweile hat sich allerdings der Text etwas geändert. Da niemand Deutscher W. mehr den jungen Werwolf abnehmen würde, singt er nun "Ich bin ein alter Werwolf..." - wobei sich der Frontmann wirklich gut gehalten hat.



Damit verabschiedet sich die Band in den Backstage-Bereich, nur um sich wenige Minuten später wieder unter das Publikum zu mischen. Nach einigen netten Unterhaltungen und dem einen oder anderen Getränk mache ich mich eine gute Stunde später schließlich auf den Weg zurück ins Hotel.

Wie war's?

So viel Spaß, wie mit Der Fluch hatte ich schon lange nicht mehr an einem Ostersonntag! Die Band war mit Schwung und Elan bei der Sache, das Publikum war gut drauf und die Goldgrube ist eine wirklich schicke, gemütliche Location. Außerdem habe ich mit Kadeadkas spannende neue Musik kennengelernt. Bei Sound und Licht gab es nichts zu meckern - bis auf die gelegentlich schwächelnden Vocals der Vorband. Insgesamt ein rundum gelungenes Konzert mit zwei tollen Bands für kleines Geld.
Die Fahrt nach Kassel und auch das Hotel verdränge ich allerdings lieber gleich wieder...

Samstag, 10. Februar 2024

Spielwarenmesse Nürnberg 2024


[Messe] Spielwarenmesse 2024

Donnerstag, 1. Februar 2024
Nürnberg

 

Jedes Jahr markiert die Spielwarenmesse in Nürnberg für mich den Beginn der Veranstaltungssaison. Auch 2024 macht dabei keine Ausnahme. Nach einem halben Jahr ohne Urlaub habe ich keine größeren Schwierigkeiten, meinen Chef zu überreden, mir für den Messebesuch freizugeben. Mit Akkreditierung und Organisation der Anreise per Bahn habe ich mittlerweile genug Übung, so dass diese Hürde schnell genommen wird. Im Gegensatz zu den vorherigen Jahren, mache ich in diesem Jahr relativ viele Verlagstermine - was ebenfalls relativ problemlos vonstatten geht.

Der Bahnstreik ist glücklicherweise vorbei und auch die Baustellen auf der Strecke sind alle fertig. So bin ich verhalten optimistisch, einigermaßen sicher mein Ziel zu erreichen. Die S-Bahn von Wiesbaden nach Frankfurt ist zwar nicht wirklich pünktlich - aber ich habe glücklicherweise ausreichend Puffer eingeplant. Als ich auf dem Bahnhof ankomme, steht der ICE schon am Gleis und ich suche mir einen Platz im halb leeren Zug. Die Fahrt nach Nürnberg selbst verläuft exakt nach Fahrplan und ich erreiche Nürnberg kurz nach 8 Uhr. Die U-Bahn Richtung Messe fährt knapp alle drei Minuten, so dass sich dort keine großen Schlangen am Bahnsteig bilden. Wie in jedem Jahr eine vorbildliche Organisation der Nürnberger Verkehrsbetriebe.

 Während ich in den vorangegangen Jahren mir meinen Weg ins Pressezentrum durch schon volle Gänge bahnen musste, kommt es mir dieses Jahr deutlich leerer vor. Ob dies der relativ frühen Uhrzeit geschuldet ist oder an einem geänderten Besucherverhalten kann ich nicht beurteilen. Auf jeden Fall bin ich wenige Minuten vor der offiziellen Öffnung schon im Zentrum, habe mir einen Spind gesichert und ein kleines Frühstück eingenommen. Nun steht einem langen, anstrengenden Messetag nichts mehr im Weg.

Normalerweise verzichte ich auf Termine mit Verlagen, sondern lasse mich lieber über die Messe treiben. Diesmal versuche ich jedoch einen anderen Ansatz und packe meinen Terminkalender für den Tag recht voll. Da ich die Termine jedoch recht großzügig terminiert habe, sollte mir noch genug Zeit für einen entspannten Messebummel bleiben.

Halle 7A

Traditionell beginne ich den Messerundgang in Halle 7A. Die Anzahl der Aussteller aus dem Modellbau- und Modelleisenbahn-Bereich ist, so zumindest mein Eindruck, weiter geschrumpft. Wirkliche Highlights entdecke ich nicht, während ich durch die Halle schlendere - dennoch gibt es zahlreiche Neuheiten zu sehen. Mit W.Britain hat es sogar wieder einmal ein Hersteller traditioneller Zinnfiguren auf die Messe geschafft. Thematisch treffen die historischen Militär-Miniaturen nicht wirklich meinen Geschmack, aber die Qualität ist doch sehr beeindruckend.

Mein nächster Blick gilt dem spanischen Farben-Hersteller Vallejo. Nach den nützlichen Farben aus der XPress Colors-Serie im letzten Jahr sind meine Erwartungen dieses Mal ähnlich hoch - werden jedoch enttäuscht. Keine neuen Farben, keine neuen Tutorials, noch nicht einmal der freundliche Herr der live Figuren anmalt ist diesmal vor Ort. So beschränkt sich mein Besuch auf das Einsammeln einiger Farbtabellen für einen Kollegen, bevor ich weiter ziehe.
Ähnlich sieht es bei den Ständen von NOCH oder Tamiya aus - einige hübsche Neuheiten, aber nichts, was mich begeistern kann. Nicht wirklich neu, aber trotzdem interessant sind die Entwicklungen bei Woodland Scenics. Die Firma liefert seit Jahren nützliche und innovative Produkte für den Modelleisenbahn-Geländebau - die ich gerne für meine Zwecke nutze. Nun hat der Hersteller anscheinend die Tabletop-Spieler "offiziell" für sich entdeckt und bietet Material an, dass auf solche Aufgaben wie Base- oder Dioramen-Gestaltung zugeschnitten ist. Eine Entwicklung, die ich natürlich gerne unterstütze.

Der erste Termin des Tages rückt näher, und so durchquere ich die Hallen 7 und 9 recht zügig. Feuerwerk, Faschingskostüme, Partyzubehör und Outdoor-Spielzeug finde ich nun mal unspannend. Was mir hier und andernorts auffällt sind jedoch die (zumindest gefühlt) zahlreichen Logistik-Anbieter. Von der Produktion bis zur Einführung im (Online-)Handel gibt es Firmen, die sich um jeden Aspekt der Produktkette kümmern.

Halle 10.1

Wie in jedem Jahr liegt mein Hauptaugenmerk auf dem Obergeschoss der Halle 10 - tummelt sich doch hier (fast) alles, was im Bereich der Gesellschaftsspiele Rang und Namen hat. Meine erste Anlaufstation ist im Obergeschoss der Halle der französische Verlag Iello. Hier sind es vor allem die neuen Ableger zu einem meiner Lieblingsspiele, die es mir angetan haben. Mit King of Tokyo Origins kommt in Kürze eine abgespeckte Variante der grandiosen Monster-Prügelei auf den Markt. Wie üblich ist diese jedoch mit dem Grundspiel und den zahlreichen Erweiterungen kompatibel. Hinzu kommt mit dem Baby Gigazaur ein neues, schnuckeliges Monster ins Spiel. Auch neues Material für den Brettspiel-Tabletop-Hybrid Unmatched gibt es zu sehen.


Wenn ich schon in der Gegend bin, kann ich auch gleich bei den Denkriesen vorbei schauen. Der Verlag hat sich auf lockere, meist einfache und kommunikative Partyspiele spezialisiert. Die beiden erfolgreichen Serien Stadt Land Vollpfosten und Klattschen erhalten gleich mehrere Erweiterungen oder Ableger. Außerdem gibt es mit Bier fischen und Hai fischen zwei Memory-Varianten mit gleichem Ablauf, aber unterschiedlicher Thematik. Ranklotzen ist schließlich ein schnelles Geschicklichkeitsspiel, dass sich eher an Familien und den Nachwuchs richtet.
Bis zu meinem nächsten Termin habe ich noch ein wenig Zeit und so schlendere ich durch relativ ziellos durch die Halle, wo ich in der hintersten Ecke einen weiteren Hersteller von Acrylfarben entdecke. Nach einem kurzen Gespräch bekomme ich bei The Army Painter kurzerhand Pinsel und Miniatur in die Hand gedrückt und setze mich an den Maltisch. Die dänische Firma hat die Rezeptur ihrer Farben überarbeitet und ich darf diese bereits einige Monate vor offiziellem Erscheinen ausprobieren. Soweit ich das in der Kürze beurteilen kann, lassen sich die Farben tatsächlich gut verarbeiten und decken ordentlich. Das komplette Warpaints Fanatic-Set ist zwar für mich nicht wirklich interessant, aber die eine oder andere Farbe wird sicherlich den Weg auf meinen Maltisch finden.


Mein nächstes Ziel ist der Stand von Schmidt Spiele. Neben den Neuheiten steht hier das Spiel im Fokus, wegen dem es den Verlag überhaupt gibt. Natürlich handelt es sich dabei um DEN Klassiker Mensch ärgere Dich nicht, der in diesem 2024 110 Jahre alt wird. Dazu gibt es im Stand eine kurze Entwicklung der Spiel- und Verlagsgeschichte und einige sehr alte Auflagen des Spiels. Nach diesem kurzen Ausflug in die Vergangenheit geht es wieder in die Gegenwart bzw. Zukunft des Verlags. Das freundliche Standpersonal beantwortet ausführlich und geduldig meine Fragen zu den Neuheiten. Den Anfang macht das kleine Rennspiel Der Ringträger vor dem bekannten Tolkien-Hintergrund. Die Gefährten fliehen dabei - wenig überraschend - mit dem Einen Ring vor den Nazgûl zum Schicksalsberg. Die Spielmechanik von Klaus-Jürgen Wrede stützt sich dabei auf das Ablegen von Karten. Insgesamt ein sehr hübsches, kurzweiliges, kooperatives Spiel, das über einen kleinen Plot-Twist verfügt. Anschließend geht es weiter zu E-Mission, einem der zahlreichen Spiel mit ökologischem Hintergrund auf der Messe. Die Spieler übernehmen dabei die Kontrolle über verschiedene politische Machtblöcke und versuchen, ihre Bevölkerung zufrieden zu stellen, neue Techniken zu entwickeln und die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Das Material ist ebenso umfangreich wie die Regeln - dürfte aber Liebhabern komplexer Spiele grade recht kommen. Auf jeden Fall steht es bei mir in den nächsten Wochen auf meiner Rezensions-Liste. Zum Abschluss steht noch Die Quacksalber von Quedlinburg - Das Duell auf dem Plan. Bei diesem Zwei-Personen-Spiel geht darum Tränke zu brauen, aber auch die Kundschaft in den eigenen Laden zu locken.Die Ausstattung ist üppig, das Spielprinzip bewährt und auch der "Ärger-Faktor" ist in ausreichender Menge vorhanden. Ein weiteres Spiel, das auf meine Liste kommt.


Direkt nebenan bei Amigo feiern ebenfalls zwei Spiele ihre Jubiläen. Die Erstveröffentlichung von 6 nimmt! liegt bereits 30 Jahre zurück, bei Saboteur sind es "nur" 20 Jahre. Beiden Titeln spendiert der Verlag zu diesem Anlass Sondereditionen mit neuer Verpackung, Sonderkarten und Regelvarianten. Auch sonst gibt es hier eine ganze Reihe an Neuheiten zu entdecken - meist kleine, schnelle Kartenspiele. Bei Feiges Huhn und L.A.M.A. Kadabra geht es darum die eigenen Karten abzulegen, während Schrödingers Katzen eher ein Schätz- und Bluffspiel ist. Das Geschicklichkeitsspiel Wolkenschiff setzt dagegen eher auf eine ruhige Hand und die Zusammenarbeit der Mitspieler. Ein recht interessantes Kinderspiel mit ungewöhnlichem Konzept und gar nicht so einfach, wie ich zu Beginn gedacht habe. Der zweite Teil der Krimireihe Unsolved - Tod auf Jacht liegt bereits zu Hause und wartet auf den nächsten Spieleabend.
Meinen letzten Termin des Tages habe ich schließlich bei HeidelBÄR Games. Hier sind es zwei Spiele, die ins Auge stechen. Zum einen ist dies Die Klapperschlange, ein semi-kooperatives Spiel basierend auf dem dystopischen Filmklassiker Escape from New York aus dem Jahr 1982. Hier gilt es, die Ruinen der Stadt zu erforschen, Gangs zu bekämpfen und schließlich mit dem Präsidenten zu entkommen. Auf den ersten Blick macht das Spiel einen soliden Eindruck und spricht mich als Nostalgiker natürlich an. Anschließend geht es zwei Tische weiter zu Time Division, einem Kartenspiel für zwei Personen. Draft- und Deckbuilding-Mechanismen, eine originelle Idee und die tolle Aufmachung sprechen für das Spiel. Allerdings reicht die Testrunde nicht annähernd aus, um die Abläufe und Symbole zu verstehen. Ein weiteres Spiel, mit dem ich mich bei Gelegenheit näher auseinander setzen werde. Einen neuen Ableger des kleines, aber sehr feinen Kommunikationsspiels Similo gibt es ebenso zu sehen, wie zwei Prototypen, die erst im Laufe des Jahres auf den Markt kommen.


Nachdem der "offizielle" Messebesuch für mich damit erledigt ist, habe ich noch Gelegenheit und Zeit mich ein bisschen umzuschauen. Bei einem Teil der Neuheiten, die es bei HUCH! zu sehen gibt, handelt es sich um Produkte ihrer Partner, aber der Verlag hat auch einige eigene Sachen im Programm. Neben einer Reihe mehr oder minderer geschmackssicherer Partyspiele gibt es auch umfangreichere Brettspiele zu sehen. Galerie der Künste, ArcheOlogic oder Terra Pyramides richten sich an eher erfahrene Spieler und machen zumindest optisch einen sehr guten ersten Eindruck. Thematisch finde ich zudem Goblin Rollercoaster wie auch RIP recht spannend. Bei dem einen handelt es sich um ein kooperatives Legespiel unter Zeitdruck, bei dem anderen um ein fieses Bluff-Spiel um diebische Tatortreiniger.
Wenn ich schon grade in der Gegend bin, mache ich natürlich einen Abstecher zu moses.. Nach der optischen (und spielerischen) Überarbeitung der black stories-Reihe veröffentlicht der Verlag auch munter neue makabre Titel zu diesem Erzählspiel. Weiterhin gibt es neue Quizze, Escape Rooms und natürlich viele kleine Würfel- und Kartenspiele, die sich in erster Linie an den Spielernachwuchs richten.
Bei HCM Kinzel gibt es mit Next Station Paris den mittlerweile dritten Teil der strategischen Zeichenserie zu sehen. Dabei sollen die Regeln etwas lockerer sein um das Spiel familienfreundlicher zu gestalten. Mit Score 5 hat der Verlag außerdem ein neues Kartenspiel mit Auktions- und Bluffelementen am Start. Schließlich gibt es mit Chamäleon Pictures noch ein kommunikatives Partyspiel, das ebenfalls auf meine Rezensions-Liste kommt.

Zuguterletzt bleibt noch der Stand von Asmodee in der Halle übrig. Wirklich Gelegenheit Spiele anzutesten gibt es hier nicht - aber immerhin kann ich mir einen Überblick über die Neuheiten verschaffen. Über die beiden Skirmish-Tabletops Star Wars: Shatterpoint und Marvel: Crisis Protocol hätte ich gerne etwas mehr erfahren. Aufmachung und Spielmaterial machen zumindest einen guten ersten Eindruck. Auch die Regelteile, die ich sehen konnte, lesen sich nicht uninteressant. Ob ich mir noch ein (oder gar zwei) weitere Tabletops zulege bezweifele ich zwar, aber ich halte die Systeme mal im Auge. Daneben gibt es weitere Spiele, die auf große IPs setzen von Filmen und Comics setzen. Lockere, schnelle Partyspiele gibt es zuhauf, ebenso wie umfangreichere komplexere Kartenspiele, allen voran Arkham Horror und Star Wars: Unlimited. Etwas aus der Reihe fällt dabei MLEM: Die Astrokatzen, ein Wettrennen um die Besiedlung des Weltraums - mit Katzen. Das Spielmaterial ist hübsch, der Ablauf nicht übermäßig komplex und selbst ich als Katzenallergiker werde demnächst einen Blick auf das Spiel werfen.


Mit diesem Marathon-Programm ist der erste Messeteil für mich beendet und es wird Zeit, mir eine kleine Pause zu gönnen. Für den Weg ins Pressezentrum wähle ich diesmal eine andere Route, und durchquere die Hallen 1, 2, 4 und 4A. Kuscheltiere, Puppen und Spielzeug für Kleinkinder sind für mich nicht so schrecklich interessant, daher geht der Durchmarsch recht schnell vonstatten. Einzig in der letzten Halle entdecke ich doch einige spannende Dinge. Neben Quietscheenten in Form von Herr der Ringe-Charakteren, Horror-Figuren und Musikern. Bei den großen und kleinen Videospiel-Automaten am gleichen Stand schwingt eine gehörige Portion Nostalgie mit. Zumindest einen Katalog nehme ich mir hier mit - vielleicht gebe ich ja doch irgendwann der Versuchung nach, mir so etwas in den Keller zu stellen. Wie in jedem Jahr habe ich es auch diesmal versäumt einen Termin bei Hasbro zu machen. Und da der Stand, wie in jedem Jahr, praktisch einer Bunkeranlage gleicht und der Andrang groß ist, spare ich mir das anstellen. Vielleicht wird es ja nächstes Jahr was...

Endlich erreiche ich mein Ziel - das Press Center Ost. Ich habe die Räumlichkeiten schon deutlich voller erlebt; diesmal habe ich einen der Tische sogar ganz für mich alleine. Das Catering bietet eine Auswahl zwischen Schaschlik und Kartoffelsuppe - da ich mich nicht entscheiden kann, nehme ich einfach beides. Wie üblich unterhalte ich mich mit Kollegen, die ebenfalls grade ein Päuschen einlegen. Hier werden Neuigkeiten ausgetauscht, Tipps für den weiteren Messebesuch gegeben oder einfach nur ein wenig getratscht. Nach dieser kleinen Pause und natürlich dem leckeren Essen, geht es zur Runde 2.

Halle 10

Es gibt noch eine Handvoll Spieleverlage, bei denen ich noch vorbei schauen will. So mache ich mich wieder auf den Weg zurück in Halle 10 - bleibe aber diesmal im Erdgeschoss. Kosmos sind an gewohnter Stelle zu finden und ich begehre (und erhalte) Einlass in den abgesperrten Stand. Unter den gewohnten Technik-Bausätzen findet sich auch ein Haus im Mini-Format - einschließlich Dachgarten und Photovoltaik. Eine hübsche Idee, die zudem ansprechend umgesetzt wurde. Diese Thematik wird mit Catan - Energien fortgesetzt. In dem neuen Ableger der erfolgreichen Serie geht es darum die Insel mit günstiger, umweltfreundlicher Energie zu versorgen. Das eigenständige Spiel nutzt dabei den bekannten Aufbau - bringt die Inselbewohner in die Gegenwart. Auch die Exit-Reihe kann sich über mangelnden Zuwachs nicht beschweren. Der Verlag macht die Escape-Room-Spiele nun auch für den Spieler-Nachwuchs zugänglich.


Aber es gibt auch einige Spiele zu sehen, die für sich alleine stehen können und kein Teil einer Serie sind. Die Weiße Burg zählt zu den "Kennerspielen" - richtet sich also an Zocker mit mehr Anspruch. Die Mischung aus Worker Placement und Ressourcen-Management vor dem Hintergrund des feudalen Japan sieht recht ansprechend aus. Ob die Spielmechanismen da mithalten können versuche ich bei Gelegenheit herauszufinden. Das Familienspiel Nunatak folgt einem vielversprechenden Ansatz. Die Spieler errichten gemeinsam einen Tempel bzw. eine Pyramide aus Eisblöcken, wetteifern dabei aber um Siegpunkte. Auch ein Zwei-Personen-Spiel darf bei den Neuheiten nicht fehlen. Beim Kartenspiel Heroes for Sale wetteifern zwei Konzerne um Geld, Einfluss und noch mehr Geld. Dazu werden Söldner angeheuert, gegnerische Anlagen sabotiert oder andere fiese Tricks genutzt. Nach einem letzten Blick auf die neuen Erweiterungen der Kugelbahn Gecko Run geht es für mich zu meinem nächsten Ziel.

Die Spielesparte von EMF ist zwar relativ überschaubar, aber ich habe eine Schwäche für Krimi-Spiele und -Dinner - und davon hat der Verlag einige im Sortiment. Ins Auge fällt mir dabei Erben oder sterben - laut Schachteltext basierend auf dem "Original Krimidinner", entsprechend der Aufmachung aber eher ein klassisches Rennspiel vor makaberem Hintergrund. Das Lupin: Escape Game nimmt dagegen die Streaming-Serie um den französischen Meisterdieb zum Vorbild.

Nach kurzen, leider wenig ergiebigen Abstechern zu einigen kleineren Verlagen, beispielsweise Kampfhummel oder Archon Games kehre ich der Halle 10 endgültig den Rücken.

SpieleCafé

Wie gewohnt haben Pegasus Spiele im SpieleCafé ihren Platz gefunden. Wie gewohnt hat der Friedberger Verlag eine ganze Reihe Neuheiten im Gepäck. Das opulente Brettspiel Black Rose Wars - Rebirth, inklusive fünf Erweiterungen, setzt die im letzten Jahr begonnene Serie fort. Mich schrecken, wie auch schon beim ersten Spiel, der Umfang, Komplexität, Spielmechanismen und Preis ein wenig ab. Dagegen spricht mich Thorgal deutlich mehr an. Basierend auf der Comic-Serie, die bereits seit den frühen 1980ern erscheint, ist es natürlich etwas für einen Nostalgiker wie mich. Zusammen mit drei weiteren Abenteurer erkundet der Spieler hier eine Welt die nordische Mythologie mit einem Hauch SciFi mischt. Das Spiel verfügt über sieben Szenarien, die separat spielbar sind. Inwieweit die den Wiederspielfaktor beeinflusst lässt sich nach einem ersten Blick noch nicht sagen. Eine weitere Materialschlacht legt der Verlag mit Die Chroniken von Drunagor vor. Der kooperative Dungeon-Crawler erscheint zeitgleich mit vier Erweiterung und sieht zumindest sehr, sehr gut aus. Die Versuchung ist zwar groß das Spiel meiner Sammlung einzuverleiben, aber zu Hause türmen sich die Schachteln mit ähnlicher Thematik - die leider zu selten auf den Tisch kommen. Was dagegen immer geht, sind Krimi-Spiele. Zum Glück hat der Verlag in dieser Hinsicht in den letzten Jahren ordentlich nachgelegt. Diesmal gibt es wieder einige Neuheiten des Genres zu entdecken, beispielsweise Deadly Dinner - Kaviar Kills, aber auch die Spiele der 50 Clues-Reihe haben hier eine neue Heimat gefunden.


Auch die Rollenspieler gehen in diesem Jahr glücklicherweise nicht leer aus. Neben frischem Stoff für Cthulhu und Shadowrun gibt es ein weiteres Spiel im Verlagsprogramm. Bei Avatar Legends können sich die Spieler im Universum des bekannten Manga/Anime tummeln. Neben einer Einsteigerbox gibt es mehrere Regel- und Hintergrundbände, so dass Interessierte voll einsteigen können. Kein Spiel für mich, aber sicher für eine jüngere Generation recht ansprechend.

Halle 12

Die letzte Station auf meiner To-Do-Liste liegt etwas abseits in Halle 12. In diesem Jahr gibt es bei Ravensburger nicht so schrecklich viel Neues für mich zu entdecken. Das Trading-Card-Spiel Disney Lorcana sorgt immer noch für Aufsehen und auch die Villainous-Reihe bekommt weiteren Zuwachs. Bisher hatte ich noch nie von der Serie gehört, doch anscheinend ist Horrified: Greek Monsters bereits auf dem US-amerikanischen Markt etabliert. Nun kommt die Serie der kooperativen Abenteuerspiele auf zu uns. Der erste Teil befasst sich mit der griechischen Mythologie; Filmmonster und das nordische Pantheon werden folgen.


Sehr gut hat mir die kurze Demo-Runde Oh my Pidgeons! gefallen. Ein lockeres, schnelles Kartenspiel, bei dem es darum geht, möglichst viele Tauben auf der eigenen Parkbank zu versammeln. Der erste Eindruck verspricht einen guten Absacker oder wahlweise ein entspanntes Familienspiel. Zuguterletzt werfe ich noch einen Blick auf das Kartenspiel Skull King. Hier müssen die Spieler vor einem Piratenhintergrund die Anzahl der Stiche einer Runde ansagen - während jede Runde eine weitere Handkarte hinzu kommt. Das Grundprinzip kommt mir doch relativ bekannt vor. Aber die Umsetzung ist zumindest stimmig. Natürlich kann ich dem Stand nicht den Rücken kehren, ohne ein Auge auf die Neuheiten zum Kugelbahnsystem GraviTrax zu werfen. Neben einigen neuen Teilen für die Bahn gibt es eine Variante für jüngere Spieler, bei der die Strecke mit allerlei niedlichem Getier garniert werden kann. Ob es ein Star Wars-Themenset unbedingt gebraucht hätte weiß ich nicht, aber toll ausschauen tut es schon. Farben, Bauteile und Dekoelemente orientieren sich an Episode IV und dürften für Fans ein Pflichtkauf sein.

Red Night

Mittlerweile ist es schon spät, die Termine auf meiner Liste sind alle abgearbeitet und langsam stellt sich eine gewisse Müdigkeit ein. Zeit für mich, zum Pressezentrum zurückzukehren und mich ein wenig für den Endspurt des zu erholen. Auf dem Weg dorthin schaue ich noch an dem einen oder anderen Stand vorbei, beispielsweise Revell, NSV oder Hans im Glück. Aber zum einen bin ich nicht mehr wirklich aufnahmefähig, zum anderen ist das Angebot an Neuheiten doch relativ überschaubar. Obwohl es noch eine gute halbe Stunde bis zum Ende der Messe ist, haben sich die Hallen schon spürbar geleert und ich komme schnell voran. Ich nutze die verbliebene Zeit um noch einmal durchzuschnaufen, meine "Beute" zusammenzusuchen und mich auf den Endspurt vorzubereiten.


Wie schon im letzten Jahr wird das abendliche Presse-Meeting durch die Red Night ersetzt. Bei dieser Veranstaltung organisieren die Verlage selbst ihre After-Show-Partys und wer grade in der Gegend ist, kann sich anschließen. Auf meinem Weg gibt es Stände mit Live-Music oder DJs. Wein, Bier und Cocktails fließen reichlich und allerlei Leckerlis werden gereicht. Bevor ich mich auf den Heimweg mache, habe ich noch zwei Verabredungen. Bei meinem ersten inoffiziellen Termin gibt es eine reichhaltige und sehr leckere Auswahl von Fingerfood - und ständig kommt jemand vorbei um nachzulegen. Nachdem der erste Hunger gestillt ist, verabschiede ich mich und ziehe weiter. Der zweite Stand, an dem ich Halt mache, wird anscheinend vom gleichen Caterer beliefert - so habe ich Gelegenheit mich noch an ein oder zwei Leckerlis gütlich zu tun. Die Atmosphäre ist entspannt, die Gespräche lebhaft und natürlich sorgen auch das Essen und die Getränke für eine ausgelassene Stimmung. Nachdem sich bei mir eine gewisse Müdigkeit breit macht, muss ich mich beinahe losreißen, damit ich meinen Zug noch erreiche. Die Heimfahrt verläuft schließlich (fast) ereignislos und kurz nach Mitternacht erreiche ich Wiesbaden - wo mein Auto für die letzte Etappe der Heimfahrt auf mich wartet.

Fazit

Wie jedes Jahr benötigte ich nach der Messe wieder einige Zeit, um mich von den Strapazen zu erholen. Ich habe zwar alles gesehen, was ich wollte, aber nur ein Tag ist eigentlich für die Spielwarenmesse zu wenig. Wie schon im vorangegangenen Jahr hatte ich den Eindruck, dass es weniger Aussteller, weniger Besucher und kleinere Stände gab - zumindest, was den Brettspiel-Bereich anging. Natürlich kann es sein, dass mich mein persönlicher Eindruck dabei täuscht oder es an dem Donnerstag eher verhalten war. Laut den offiziellen Zahlen des Veranstalters war die Anzahl der Aussteller und Besucher insgesamt um gut 10% höher als im Vorjahr: 2.354 Aussteller aus 68 Ländern und ca. 57.000 Besucher.
Die Organisation war, wie gewohnt, vorbildlich. Ich bedauere zwar noch immer die Einstellung des Messe-Katalogs, doch die App macht es dem Besucher wirklich leicht, Termine zu verwalten und sich in den Hallen zu orientieren. Generell war der Umweltschutz ein weit verbreitetes Thema - nicht nur bei den Veranstaltern sondern auch bei den Verlagen. Zum einen drehten sich viele Spiele um das Thema Ökologie - aber auch bei der Produktion selbst scheint langsam ein Umdenken stattzufinden. Natürlich gibt es immer noch viele Spiele, die mit schier unglaublichen Mengen von Material, gerne Kunststofffiguren, aufwarten können. Aber der Trend scheint tatsächlich in eine andere Richtung zu gehen. Mittlerweile wird die Produktion aus Fernost abgezogen und wieder an heimische Firmen vergeben, das Spielmaterial wird nachhaltiger und sogar bei den allgegenwärtigen Plastikverpackungen finden sich langsam Alternativen. Damit einher geht ebenfalls, dass es vieles Promomaterial nur noch in abgespeckter Form oder eben digital bekommt. Flyer sind zwar noch allgegenwärtig, aber hübsch aufgemachte Kataloge sind leider Mangelware. Letzten Endes ist dies aber Jammern auf hohem Niveau - wenn ich Informationen über ein Spiel oder ein anderes Produkt haben will, gibt es immer irgendwo einen QR-Code zu scannen.
Es war am Ende auch in diesem Jahr ein schöner, spannender, interessanter, aber auch anstrengender Messebesuch!

Und wer noch ein paar mehr Impressionen der Nürnberger Spielwarenmesse sehen möchte, wird HIER fündig!