Vorteile, Nachteile, Aufreger & Konsequenzen
Obwohl
der Begriff Crowdfunding
derzeit ständig in den Medien präsent ist, kann der eine oder
andere vielleicht dennoch nichts damit anfangen, daher
an dieser Stelle eine kurze Erläuterung:
Beim
Crowdfunding geht es darum das jemand eine (vermeintlich) tolle Idee
für ein Produkt, einen Film, ein Spiel oder wasauchimmer hat, ihm
aber das nötige Kleingeld fehlt um seine Idee zu verwirklichen.
Statt nun wie früher bei Banken um einen Kredit zu bitten oder
ausgewählte Investoren zu fragen, präsentiert der Betreffende seine
Idee auf einer der zahlreichen Crowdfunding-Plattformen im Internet
einer breiten Öffentlichkeit. Diese Plattformen, Kickstarter
und Indiegogo
dürften die größten und bekanntesten sein, machen dies natürlich
nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit, sondern bekommen dafür
einen gewissen Prozentsatz des gesammelten Geldes, gewissermaßen als
Vermittlungsgebühr.
Im
Idealfall finden sich nun eine ausreichende Anzahl an Menschen, die
sogenannten Backer, welche die Idee mit einem kleineren oder größeren
Geldbetrag unterstützen, so dass die Finanzierung zustande kommt.
Natürlich machen die Backer das in der Regel nicht aus
idealistischen Motiven sondern erwarten eine Gegenleistung. In den
allermeisten Fällen ist dies ein Produkt, welches den Versprechungen
entspricht, die am Anfang der Kampagne standen.
Crowdfunding-Kampagnen
gibt es mittlerweile für die unterschiedlichsten Dinge: technische
Gadgets wie beispielsweise einen 3D-Zeichenstift, Computer- und
Brett-Spiele oder Bekleidung um nur einige wenige Beispiele zu
nennen. Manche Musiker, Autoren und Zeichner sammeln ebenfalls auf
diesem Weg die nötigen Mittel für die Produktion ihrer Werke um von
Plattenfirmen oder Verlagen unabhängiger zu werden, sogar einige
Filmprojekte wurde schon gestemmt. Aber auch soziale und kulturelle
Projekte versuchen immer öfter auf diese Weise ihre
Finanzierung zu sichern oder zumindest doch auf sich aufmerksam zu
machen. Und natürlich gibt es Spaßvögel, die beispielsweise Geld
für die Zubereitung eines Kartoffelsalates einsammeln (und damit
über 55.000 Dollar zusammen bekommen haben).
In
nur wenigen Jahren hat dieses Konzept deutlich an Akzeptanz gewonnen
und ist auf dem besten Weg sich zu einem ernstzunehmenden
Wirtschaftsfaktor zu entwickeln. Nur um eine Vorstellung von der
Größenordnung zu bekommen hier einmal die Zahlen von Kickstarter
aus dem vergangenen Jahr: Über 3 Millionen Menschen haben eine oder
mehrere Kampagnen unterstützt und damit fast 20.000 Projekte mit
einem Volumen von über 480 Millionen Dollar erfolgreich
finanziert. Dazu kommen noch die vielen kleinen Plattformen, die in
der Summe ebenfalls durchaus beeindruckende Zahlen vorweisen können.
Wie
bei so vielen anderen Dingen auch, so hat sich im Crowdfunding-Umfeld
ein eigenes Vokabular entwickelt. Dieser kleine Überblick ist
vielleicht für das Verständnis der Materie hilfreich:
Backer
- Eine Person, die eine Kampagne mit ihrem Beitrag unterstützt
Creator
- Der Initiator einer Crowdfunding-Kampagne, dabei kann es sich um
Einzelpersonen, aber auch um Firmen handeln
Funding
Goal - Der Betrag der erreicht werden muss, um ein Projekt
erfolgreich zu finanzieren
Pledge
- Ein bestimmter Betrag, mit dem sich der Backer an der Kampagne
beteiligt; meist gibt es die Wahl zwischen verschiedenen Abstufungen
Stretch-Goal
- Häufig werden beim Erreichen bestimmter Summen vom Creator
zusätzliche Dinge zum eigentlichen Projekt hinzugefügt, um einen
weiteren Anreiz für die Backer zu schaffen
Add-Ons
- Auch hier handelt es sich um zusätzliche Goodies, die
allerdings separat, also zusätzlich zum eigentlichen Pledge, bezahlt
werden müssen
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Ein vorbildliches Brettspiel-Projekt |
Auch
sollte der Marketing-Effekt einer gut gemachten Kampagne nicht
unterschätzt werden. Einigen Projekten ist es durch die Präsenz in
sozialen Netzwerken gelungen eine gewaltige Menge an Interessenten
auf der ganzen Welt auf sich aufmerksam zu machen und einen
regelrechten Hype zu generieren (wie beispielsweise der weiter oben
erwähnte Kartoffelsalat). Die traditionellen Werbemethoden versagen
bei solchen, sehr speziellen Aktionen meist, haben eine zu geringe
Reichweite oder der Aufwand würde in keinem Verhältnis zum Effekt
stehen.
Wenn
es wirklich gut läuft, macht das Projekt nicht nur genug Backer auf
sich aufmerksam, sondern auch Verantwortliche größerer Unternehmen,
die sich dann nach dem Ende Kampagne dem Produkt annehmen und es später
in ihr Sortiment aufnehmen.
Aus
logistischer Sicht bietet Crowdfunding einige weitere
Erleichterungen, so hat der Creator nach dem Ende einer Kampagne eine
recht genaue Vorstellung davon, welche Stückzahlen er produzieren
muss um die Bedürfnisse seiner Backer zu befriedigen.
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Professionelle und pünktliche Abwicklung |
Schließlich
ist dann auch noch das gute Gefühl, sich an etwas Neuem und
Innovativem beteiligt zu haben, das viele Backer zu ihren
Kreditkarten greifen lässt.
Dies
sind zwar nicht alle Vorteile die das Crowdfunding für beide Seiten
hat, doch sind es sicherlich die offensichtlichsten, die auch,
zumindest aus meiner Sicht, einen großen Anteil am Erfolg des
Konzeptes haben. Doch leider gibt es natürlich auch den einen oder
anderen negativen Aspekt bei der ganzen Angelegenheit. Nachdem
mittlerweile die erste Euphorie über diese Finanzierungsmethode
etwas abgeklungen ist, wird mitunter auch ein etwas kritischerer
Blick auf Kickstarter & Co. geworfen. Auffällig ist dabei, dass
sich sehr viele Fehler immer wieder, bei den unterschiedlichsten
Kampagnen wiederholen, obwohl manche doch relativ einfach zu beheben
wären.
Man
sollte glauben, dass nach dem erfolgreichen Abschluss einer Kampagne
für den Initiator des Projektes alles rosig ist: Er hat genug Geld
um seine Idee zu verwirklichen (abzüglich der Gebühren der
Plattform natürlich) und es ist ihm gelungen andere Menschen für
sein Projekt zu begeistern. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass
schon in dieser relativ frühen Phase abzusehen ist, dass der Creator
scheitern wird.
Die
Gründe dafür sind vielfältig:
Gelegentlich geht der Creator einfach zu naiv an das ganze Projekt heran. Es gibt keine solide Konstenkalkulation, Planungen zu späteren Herstellung des Produktes sind bestenfalls grob vorhanden oder es fehlt einfach das erforderliche Wissen um die in der Crowdfunding-Kampagne gemachten Versprechungen umzusetzen.
Manchmal wird eine Kampagne aber auch Opfer ihres eigenen Erfolges. Wenn sich zu viele
Backer beteiligen kann es durchaus vorkommen, dass die
Produktionskapazitäten gar nicht ausreichen um die Nachfrage zu
befriedigen. Die Folge sind im günstigsten Fall nur verzögerte
Lieferzeiten, es kann aber auch sein, das der Creator unter dem
großen Erwartungsdruck schlicht zusammenbricht.
Ein
gewaltiger Faktor, der ebenfalls gerne unterschätzt wird sind die
Versandkosten. Da die meisten Kampagnen auf ein internationales
Publikum abzielen, muss sich der Creator mit den Einfuhrbestimmungen
der verschiedenen Länder auseinander setzen, Steuern und Zoll wollen
ebenfalls berücksichtigt werden. Dazu kommen noch die tatsächlichen
Kosten für Porto und Verpackung, die meist nur anteilig an die
Backer weitergegeben werden und schnell aus dem Ruder laufen können,
beispielsweise wenn eine Lieferung auf zwei Pakete aufgeteilt werden
muss, allerdings nur eines kalkuliert war.
Grade
im Miniaturen-/Tabletop-Bereich gibt es unglaublich viele ähnliche
Projekte die um die Gunst (und natürlich auch das Geld) der Backer
buhlen. Entsprechend groß ist der Konkurrenzdruck und um sich dabei von den Mitbewerbern abzuheben müssen
schon besondere Anreize geschaffen werden. Dies funktioniert meist
über einen extrem knapp kalkulierten Preis und die sogenannten
Stretch-Goals. Wenn der Creator dies nicht schon in seiner
Anfangskalkulation berücksichtigt hat, ist es nur selten möglich
tatsächlich kostendeckend zu produzieren.
Doch
nicht nur für den Projekt-Initiator gibt es einige Stolpersteine die
auf seinem Weg liegen, auch für die Backer gibt es verschiedene
Punkte, die bei vielen Kampagnen immer wieder für Verstimmungen und
Diskussionsstoff sorgen.
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Schöner Bildband, mit längerer Wartezeit |
Sicher
ist es für niemanden der Weltuntergang, wenn sich die Lieferung ein
wenig verzögert, doch einige Projekte schaffen es problemlos den
Liefertermin um 12 Monate oder mehr zu überziehen ohne dabei
nennenswerte Fortschritte aufweisen zu können. Auch kann ich mir
einen kleinen Schmunzler nicht verkneifen, wenn ein schon
existierendes Produkt über Kickstarter
explizit mit seiner extrem kurzen Lieferzeit beworben wird und ein
tatsächlicher Ausliefertermin dann noch nicht einmal ansatzweise
abzusehen ist, derzeit sehr schön zu beobachten beim
Tabletop-/Brettspiel-Hybrid Dust:
Operation Babylon.
Einer
der Punkte, die mich persönlich sehr stark stören, ist die
mittlerweile ausufernde Nutzung des Crowdfunding als nur
oberflächlich getarnte Verkaufsplattform. Neben dem schon oben
genannten Dust:
Operation Babylon ist
das Brettspiel Zombicide
von Guillotine
Games ein
schönes Beispiel dafür. Der erste Teil setzte mit seinen fast
800.000 Dollar seinerzeit eine neue Bestmarke für Brettspiele, der
zweite Teil überstieg rund ein Jahr später schon deutlich die Marke
von 2 Millionen Dollar. Der dritte Teil, der Ende Juli diesen Jahres
finanziert wurde, hat es auf immerhin 2.850.000 Dollar gebracht. Ich
bezweifele ernsthaft, ob es für die Firma tatsächlich notwendig
gewesen wäre nach der ersten Kampagne auch die Nachfolgespiele über
Crowdfunding zu finanzieren. Andererseits gibt ihnen der Erfolg
anscheinend recht.
Auch
der Kommunikationsfluss zwischen Creator und Backer verdirbt mir
regelmäßig den Spaß an Crowdfunding-Projekten. Ist die Kampagne
noch am Laufen, so kann es vorkommen, dass die Mailadresse fast
täglich mit Updates und Aufrufen, noch mehr Leute für das Projekt zu
werben, bombardiert wird. Steht jedoch die Finanzierung, so verebbt
dieser Informationsfluss meist abrupt und die Backer müssen manchmal
um jedes Lebenszeichen des Projektes betteln. Dabei sind es nicht nur
Ein-Mann-Firmen sondern auch etablierte Hersteller die große
Defizite in der Kommunikation aufweisen und über Wochen oder gar
Monate nichts von sich hören lassen. Besonders negativ aufgefallen
sind mir dabei das Brettspielprojekt Zombicide
2,
aber auch das Tabletop-Spiel Hell
Dorado
war in dieser Hinsicht ein mittelschweres Desaster. Natürlich gibt
es auch löbliche Ausnahmen, die regelmäßig und unaufgefordert über
ihre Fortschritte informieren oder gar auftretende Schwierigkeiten
offen ansprechen, so beispielsweise Mierce
Miniatures
oder Games
& Gears.
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Ende gut, alles gut?!? |
Das
bringt mich auch gleich zu einer der größten Schwachstellen dieses
Systems: Die Rechtslage bei Crowdfunding-Projekten ist derzeit
bestenfalls schwammig. Zwar schreibt jede Plattform gewisse
Verhaltensregeln vor, und auch eine (eher laxe und häufig
automatisierte) Überprüfung vor Beginn der Kampagne findet statt.
Sollten jedoch tatsächlich Probleme auftauchen, so steht der Backer
damit in der Regel alleine da. Haben Kickstarter
& Co. eine Kampagne abgewickelt und ihre Provision eingestrichen,
ist die Angelegenheit damit für sie, entsprechend ihren Geschäftsbedingungen, erledigt. Ob der Initiator in
der Lage ist das Projekt überhaupt zu erfüllen oder ob er sich
einfach mit dem Geld einen schönen Urlaub macht ist, interessiert in
diesem Fall nicht.
Geht
etwas schief, so bleiben dem Backer normalerweise noch zwei
Möglichkeiten sein Geld zurück zu bekommen. So lässt sich meist
ein Antrag auf Rückabwicklung der Zahlung über die
Kreditkartenfirma stellen. Da die Probleme aber meist erst viele Monate nach der eigentlichen Abbuchung
auftreten, ist diese Möglichkeit jedoch selten von Erfolg gekrönt.
Sollte dies nicht funktionieren, so bleibt noch die Option, die
Rückerstattung des investierten Geldes einzuklagen. Hier ergeben
sich jedoch gleich mehrere Hürden, so sind die eingesetzten Beträge
meist relativ gering, was hohe Anwaltskosten nicht rechtfertigt, oder
der Creator sitzt in einem anderen Land als der Backer, was die Sache
noch weiter verkompliziert. Schließlich muss dem Initiator noch
nachgewiesen werden, dass er sein Projekt mutwillig in den Sand
gesetzt hat und nicht nur durch eine Verkettung unglücklicher
Umstände das Geld der Investoren verloren hat.
Mittlerweile
gibt es jedoch (zumindest in den USA) einige Urteile, die sich mit
genau dieser Problematik auseinandersetzen, eine einheitliche Linie
in der Rechtsprechung ist dabei allerdings nicht zu erkennen. In
Deutschland wäre mir zumindest kein Fall bekannt, bei dem die Backer
die Erfüllung eines Projektes oder wahlweise die Rückerstattung
ihrer Investition eingeklagt hätten.
Der
letzte (und wohl für mich persönlich der wichtigste) Grund, warum
ich mich mittlerweile beim Crowdfunding sehr einschränke ist relativ
simpel: Wie bei den meisten Menschen, so steht mir auch nur ein
begrenztes Budget für mein Hobby zur Verfügung, dass durch
verschiedene Projekte sehr schnell aufgebraucht oder gar extrem
überschritten wird. Beispielsweise wäre ich in einem Geschäft
niemals auf die Idee gekommen auf einen Schlag über 500 Dollar für
ein Brettspiel auszugeben. Bei der Kampagne zum Cthulhu
Wars
von Green
Eye Games
war die Hemmschwelle zwar immer noch sehr hoch, aber letztendlich
habe ich mich doch für das Rundum-Glücklich-Paket mit allen Figuren und
Erweiterungen entschieden. Zwar habe ich es noch nicht bereut bei
meinen bisherigen Projekten recht viel Geld in die Hand genommen zu
haben, aber es ist doch sehr einfach, auch bedingt durch die langen
Wartezeiten, den Überblick über die Pledges (und natürlich die
dazugehörigen Ausgaben) zu verlieren.
Natürlich gibt es immer wieder einmal interessante Projekte, für die ich bereit bin Geld zu investieren, so beispielsweise das Filmprojekt Die Traumlande, aber mein Unterstützer-Verhalten ist im Laufe der letzten drei Jahre wesentlich selektiver geworden. Ich beschränke mich in der Regel auf wenige ausgewählte Kampagnen aus dem Brettspiel- und Miniaturenbereich bei denen ich die Leute, wenn schon nicht persönlich durch Conventions oder Messen, dann doch zumindest ihrem Ruf nach kenne. Den ganzen Rest kann ich auch im Zweifelsfall wenige Monate später über den Laden meines Vertrauen beziehen. Zwar verpasse ich dann günstige Angebote und tolle Goodies, aber wenn ich ehrlich bin, habe ich sowieso so viel Spiele und Figuren zu Hause, dass ich diese niemals alle werde bemalen oder bespielen können.
Und
um noch einmal Missverständnissen vorzubeugen: Backer investieren in
ein Projekt, dass heißt, sie vertrauen dem Creator Geld an damit
dieser seine Idee weiterentwickelt. Viele Kampagnen vermitteln jedoch
eher den Eindruck, dass es sich dabei um eine Vorbestellung handelt.
Tatsächlich
ist es jedoch eine Investition, bei der es keine Garantie gibt, dass
man am Ende auch wirklich etwas für sein Geld erhält.
Dieser
kleine Text spiegelt natürlich nur meine eigene, ganz persönliche, Sicht
der Dinge und meine eigenen Erfahrungen wider, die ich im Laufe der
Zeit mit verschiedenen Crowdfunding-Projekten auf unterschiedlichen
Plattformen gemacht habe. Ich möchte damit keinesfalls einen
Anspruch auf Vollständigkeit erheben oder gar allgemein gültige
Wahrheiten postulieren.
Was
für Erfahrungen habt ihr schon mit Crowdfunding gemacht?
Habt
ihr schon mal eine Kampagne unterstützt oder gar selbst eine
initiiert?
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