Turbostaat
Support:
I Refuse, Freiburg
Donnerstag,
18. Juli 2013
Oetinger
Villa, Darmstadt
Seitdem
vor einiger Zeit das Album Das Island Manöver der
norddeutschen Punk-Rocker von Turbostaat als
Rezensionsexemplar auf meinem Schreibtisch gelandet ist, bin ich
heimlicher Fan der fünf Herren aus Flensburg. Da ich ihren Auftritt
im Frühjahr in der Frankfurter Batschkapp leider
verpasst habe, bin ich doch froh, das die Band nur wenige Montage
später ein Konzert in der Oetinger Villa in
Darmstadt gibt.
Einlass
ist schon um 20 Uhr, aber da ich auf der Suche nach einem Parkplatz
etwas länger um die Häuser kurve und auch noch eine Kleinigkeit zu
essen brauche komme ich erst kurz vor 21 Uhr an der Oetinger Villa
an. Obwohl die erste Band des Abends, I Refuse,
schon spielt, sitzen erstaunlich viele Leute auf den Treppen vor dem
Eingang. Ich denke mir weiter nichts dabei und bahne mir einen Weg in
den Konzertsaal, da sich dort auch die Theke mit den gekühlten
Getränken befindet. Als sich die Tür vor mir öffnet, bekomme ich
auch sofort eine Erklärung dafür, warum sich mehr Besucher draußen
als drinnen befinden: Der Sauerstoffgehalt der Luft im Saal tendiert
gegen Null, dafür können es Temperatur und Luftfeuchte durchaus mit
jeder Sauna aufnehmen. Dazu kommt, dass die Jungs hinter den Reglern
es mit der Lautstärke sehr gut meinen. Schnell besorge ich mir, zu
sehr zivilen Preisen, einige Flaschen kühlendes Nass bevor mich eine
Welle aus Hitze und Gitarrenlärm wieder nach draußen drückt.
Dort
lässt es sich, was die Temperaturen angeht, mittlerweile aushalten
und auch die Musik hat nun eine angenehme Lautstärke. Zu meiner
Schande muss ich gestehen, dass ich daher sowohl von I
Refuse wie auch von den nachfolgenden Freiburg
kaum etwas mitbekomme. Was ich hören konnte, klang aber
zumindest recht vielversprechend, was mir auch ein Bekannter
bestätigen konnte, der eine bessere Konstitution hat als ich und bei
beiden Bands in der Halle ausgeharrt hat.

Die
Setlist konzentriert sich erwartungsgemäß auf Material des neuen
Albums Stadt der Angst, welches im April dieses
Jahres veröffentlicht wurde, und so startet die Band auch mit
„Willenshalt“ direkt durch. Ein großer Teil des Publikums lässt
sich dann auch trotz der subtropischen Atmosphäre im Saal nicht
davon abhalten, ausgelassen zu tanzen und den Text mitzusingen. Aber
auch ältere Stücke wie beispielsweise „Haubentaucherwelpen“ aus
dem Jahr 2008 oder mein persönliches Highlight „Fraukes Ende“
haben ihre Berechtigung. Dazwischen findet Sänger Jan Windmeier
immer noch Zeit und Muße für einige launige Ansagen und macht ein
paar Späße über das Klima in der Halle. Erstaunlicherweise kann
fast jeder im Saal sämtliche Texte mitsingen und so übernimmt auch
das Publikum einen Großteil der Vocals bei „Sohnemann Heinz“.
Direkt darauf folgt mit „Sohnemann Zwei“ der einzige Ruhepunkt
des Konzertes, bei dem die Band fast völlig das Tempo aus dem bis
dahin sehr energiegeladenen Auftritt nimmt und sich selbst, wie auch
Publikum ein paar Minuten Zeit lässt, um durchzuatmen. Nach dieser
kleinen Verschnaufpause zieht das Tempo mit „Eine Stadt gibt auf“
wieder merklich an. Und auch die Zuhörer im Saal mobilisieren
nochmal alle Kräfte, um die Band weiter zu feiern. Während mit
„Urlaub auf Fuhferden“ und dem grandiosen „Harm Rochel“
wieder zwei ältere Stücke gespielt werden, ist der Auftritt von Turbostaat nach nicht mal einer Stunde, zumindest
für mich, beendet. Die Kleidung klebt völlig durchnässt am Körper,
das Atmen fällt zunehmend schwer und der Kollege hinter mir ist mir
mittlerweile mehrfach in den Rücken gesprungen. Solange ich mich
also noch selbst auf den Beinen halten kann, schleppe ich mich nach
draußen und bemerke dabei die angelaufenen Scheiben im Flur der
Villa und das bei einer Außentemperatur von immerhin 27 Grad
Celsius.
Draußen
stelle ich (etwas erleichtert) fest, dass ich nicht der Einzige bin,
der auf dem Konzert schwächelt, sitzen doch schon mehrere Leute
völlig erschöpft auf den Treppen und versuchen wieder einigermaßen
zu Kräften zu kommen.
Drinnen
machen sich mittlerweile auch bei der Band erste
Ermüdungserscheinungen bemerkbar und das Konzert neigt sich
offensichtlich langsam seinem Ende entgegen. Nach zwei kleinen
Zugaben ist es schließlich geschafft und die Leute strömen
durchnässt und außer Atem aus der Oetinger Villa
um sich im weitläufigen Park noch ein wenig zu erholen, bevor sie
sich schließlich auf den Heimweg machen.
Turbostaat
haben bei diesem Konzert gezeigt, dass es keine aufwendige Licht-
oder Bühnenshow braucht, um das Publikum gut zu unterhalten und
mitzureißen. Eingängige, aber abwechslungsreiche Musik, gepaart mit
etwas verschrobenen, aber nicht unintelligenten Texten und
schließlich Musiker, denen der Zuschauer auch abnimmt, dass sie mit
Spaß bei der Sache sind, geben eine hervorragende Mischung ab. Die
Band hat trotz der widrigen Umstände im Saal eine großartige
Vorstellung gegeben und auch dem Publikum alles abverlangt. Mein
besonderer Respekt geht dabei an Gitarrist Rotze Santos, der das
komplette Konzert mit langer Hose, Jacke und Wollmütze bestritten
hat und dabei nicht von einem Hitzschlag niedergestreckt wurde.
Leider
habe ich von den beiden Vorbands so gut wie nichts gehört, daher
erlaube ich mir auch kein Urteil, was deren Auftritt angeht.
Vielleicht beim nächsten Mal, dann aber hoffentlich unter etwas
angenehmeren Bedingungen.
Der
Sound in der Oetinger Villa war, zumindest im
späteren Verlauf des Abends, gut abgemischt und auch die Location
selbst ist für Veranstaltungen dieser Art hervorragend geeignet. Ob
man allerdings die Konzerte nicht besser in die Herbst- oder
Wintermonate verlegt oder das Lüftungskonzept etwas überarbeitet
sei einmal dahingestellt. Immerhin waren die Getränkepreise mehr als
fair und so konnte wenigstens der Flüssigkeitsverlust problemlos
ausgeglichen werden.
Das
nächste Konzert von Turbostaat in meiner Nähe
ist schon in knapp vier Wochen im Rahmen des FOLKLORE
NullDreizehn-Festivals in Wiesbaden und dann sogar unter
freiem Himmel. Die Chancen stehen also recht gut, dass ich diesmal
das Konzert bis zum Ende durchstehe.
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