Sonntag, 11. Mai 2025

Nouvelle Vague; Nadeah


[Konzert] Nouvelle Vague

Support: Nadeah
Montag, 5. Mai 2025
Frankfurter Hof; Mainz

 

Bei meiner immerwährenden Suche nach spannenden Cover-Versionen stieß ich vor einigen Jahren, auf Empfehlung eines Bekannten, auf Nouvelle Vague. Das französische Duo (zusammen mit wechselnden Musikern und Sängerinnen) konzentriert sich darauf Klassiker aus den Bereichen Punk, Gothic oder auch New Wave neu zu arrangieren und einzuspielen. Vor allem die Versionen von "Bela Lugosi's Dead" und "A Forest" hatten es mir dabei sehr angetan. In kurzer Folge verleibte ich daher die bisher erschienenen Alben meiner Sammlung ein.

Während sich bei den ersten Veröffentlichungen der Stil der Band auf Bossa Nova oder Easy Listening beschränkte, wurde das Repertoire im Laufe der Jahre vielschichtiger. Mit Should I stay or schould I go legen Nouvelle Vague ihr mittlerweile sechstes reguläres Studioalbum vor; das erste nach dem Tod von Olivier Libaux, einem der beiden musikalischen Köpfe.

Erst wenige Tage zuvor hatte ich erfahren, dass die Band auf ihrer "Should I stay or schould I go"-Tour auch in Mainz Station macht. Da die Zeit für den üblichen Ticket-Versand per Post zu knapp wird, verabschiede ich mich ungewöhnlich früh aus dem Büro und mache mich auf den Weg auf die andere Rheinseite in die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt.
 


Nachdem ich für die wenigen Kilometer eine geschlagene Stunde brauche, sind die Nerven bereits leicht strapaziert, als den Wagen im Parkhaus abstelle. Der Fußweg zur Tourist-Information, die auch den Ticket-Verkauf übernehmen, ist nicht ohne Risiko, muss ich mich doch vor mehreren rücksichtslosen Radfahrern auf der Rhein-Promenade in Sicherheit bringen. Als ich dann endlich die Eintrittskarte in der Hand halte, fällt mir auf, dass der QR-Code nicht lesbar ist - der Drucker vor Ort ist defekt und produziert Fehlstellen. Definitiv nicht mein Tag!

Die Location

Es ist mittlerweile bestimmt schon zehn Jahre her, dass ich das letzte Mal im Frankfurter Hof inmitten der Mainzer Altstadt war. Da noch ein wenig Zeit ist, nutze ich die Gelegenheit und schlendere durch die kleinen Gassen und Hinterhöfe. Seit meinem letzten Besuch hat sich hier viel verändert - häufig nicht zum besseren. Immerhin sind einige Orientierungspunkte erhalten geblieben, so beispielsweise die Currywurst-Bude, an der ich mir ein leckeres (aber erstaunlich teures) Abendessen gönne. So verstreicht die Zeit und ich stehe pünktlich um 19 Uhr vor dem Eingang zur Location. Der Besucherandrang hält sich zu diesem Zeitpunkt in einem überschaubaren Rahmen - so bleibt mir Gelegenheit mich zu orientieren. Im Innern hat sich glücklicherweise wenig geändert. Im Saal selbst musste die Bestuhlung weichen, nur an den Rändern gibt es noch eine Handvoll Sitzmöglichkeiten. Während immer mehr Besucher in den Raum kommen, suche ich mir einen gemütlichen Platz an einer der Säulen und warte auf den Konzertbeginn.

Nadeah

Kurz nach 20 Uhr betritt Nadeah mit ihrer Gitarre die Bühne. Die Musikerin und Sängerin hat schon mehrfach für Nouvelle Vague hinter dem Mikrofon gestanden - ist aber mittlerweile hauptsächlich als Solo-Künstlerin unterwegs. Nach einer Ansage auf Deutsch vom Band erzählt die gebürtige Australierin etwas von sich und den neuen Stücken des Sets. Meist dreht es sich dabei um erstaunlich unspektakuläre Alltagsgeschichten über das Leben abseits von Instagramm, Aufwachsen in den 1990ern, Hausarbeit oder Konsumterror.


Die musikalische Begleitung aus lockeren, entspannten Gitarrenakkorden - die in Kontrast zu den melancholischen, kritischen Texten stehen. Zwischen den einzelnen Stücken gibt es nette kleine Geschichten aus dem Leben der Künstlerin, zur Entstehungsgeschichte der Lieder oder auch einen Crash-Kurs in australisch. Zwischenzeitlich bekommt die Sängerin Verstärkung an den Saiten durch Art Menuteau, mit dem sie im letzten Jahrtausend in einer Band gespielt hat. Im Anschluss wird der Sound phasenweise durchaus rockig - das Publikum darf sogar die Rolle des Perkussionisten einnehmen.
Mit ihrem gut halbstündigen Set hinterlässt die Musikerin einen sympathischen Eindruck, nicht zuletzt Dank der intensiven Interaktion mit den Zuschauern. Insgesamt eine tolle Einstimmung auf die Hauptband - die dann auch nach kurzer Umbaupause die Bühne betritt.

Nouvelle Vague

Pünktlich um 21 Uhr verlöschen die Lichter im Saal - bis auf zwei blaue Strahler, die die Musiker in Schatten Hüllen. Bei den ersten Tönen von "Love will tear us apart" befindet sich Sängerin Mélanie Pain noch im Backstage-Bereich und bewegt sich erst im Verlauf des Stückes in Richtung des Bühnenrandes. Aus dem unsagbar beklemmenden Original von Joy Division macht die Band (Gitarre, Keyboard, Bass, Schlagzeug und Percussion) eine lockere, gelöste Nummer, die in einer Cocktail-Lounge nicht fehl am Platz wäre. Zusammen mit dem unüberhörbaren franzözischen Akzent der Sängerin ergibt sich daraus eine interessante Version, die unbestreitbar ihren Anteil am nachhaltigen Erfolg von Nouvelle Vague hat.


Danach machen sich die Musiker an einem von mehreren Depeche Mode-Stücken an diesem Abend zu schaffen. Für "People are People" kommt eine zweite Sängerin (deren Namen ich leider nicht weiß) auf die Bühne. Musikalisch orientiert sich das Ganze eher an aktuellen Singer/Songwriter-Nummer. Aber es ist vor allem der Kontrast der beiden weiblichen Stimmen, der diesem und auch vielen der folgenden Tracks seinen Reiz verleiht.
Es folgt ein wilder Streifzug durch die 1980er Jahre. New Wave, Synthie Pop, Gothic, Post Punk oder gar NDW werden in unterschiedlichsten Stilen gecovert. So wird aus "This is not a Love Song" eine perkussionslastige Bossa Nova-Nummer, "Girls on Film" kommt als locker swingender Jazz daher. Bei den folgenden "A Forest" und "Marian" bleiben die gruftigen Wurzeln allerdings erhalten. Besonders Schlagzeug und vor allem der Bass tragen daran ihren Anteil. Praktisch nur mit Gitarre und ein klein wenig Perkussion kommt "Eisbär" aus - dafür unterstützt das Publikum die beiden Sängerinnen beim Refrain tatkräftig. Dagegen ist "Should I stay or should I go", das Album und Tour seinen Namen gibt, kaum zu erkennen. Minimale Instrumentierung, Flamenco-Einflüsse und ein orgelndes Keyboard sorgen für die Untermalung. Erst gegen Ende nimmt das Stück deutlich an Fahrt auf und ein Blick in den Saal zeigt eine einheitliche hüpfende Menge. Schließlich werden wieder Depeche Mode bemüht. "I just can't get enough", zweistimmig gesungen endet mit einem überaus beeindruckenden Schlagzeug-Solo. Dabei besteht die einzige Beleuchtung auf der Bühne aus zwei Taschenlampen, die an den Drumsticks befestigt sind.
 


Nach diesem kleinen Intermezzo folgt mein persönliches Highlight des Abends. Ich bin ein bekennender Bauhaus-Fan, aber diese Version von "She's in Parties" kann durchaus mit dem Original mithalten. Die Stimmung ist beklemmend, das Schlagzeug dominiert, während der gestrichene Bass für einige atonale Verwerfungen sorgt. Um das Ganze abzurunden liefert das Keyboard eine erstklassige Bond-Soundtrack-Hommage.
>Für das folgende "Guns of Brixton" kommt Nadeah wieder auf die Bühne und die beiden anderen Sängerinnen beschränken sich auf Background-Vocals und Percussion. Auf Konserve eines meiner Lieblingsstücke und auch live macht es Spaß - nicht zuletzt wegen der gelungenen Pfeifeinlage. Für "Too Drunk to Fuck" zieht die Band das Tempo deutlich an - stilistisch geht es in Richtung Rockabilly mit großzügiger Surf-Gitarre.


Im Innenraum tanzen derweil zahlreiche Ü50er - teils in Abendgarderobe - zu einem Stück, das im Original von Dead Kennedys stammt. Eine sehr interessante Erfahrung. Es folgen noch Klassiker, "Master & Servant" und "Shout, obskurere Stücke wie "Human Fly", "This Charming Man" oder "In a manner of speaking", bevor die Band kurz vor 23 Uhr die Bühne verlässt.

Es ist zwar schon spät und eigentlich muss ich morgen früh wieder an meinem Arbeitsplatz sitzen, aber einen Abstecher an den Merch-Stand lasse ich mir nicht nehmen. Sowohl das neue Album von Nadeah als auch Should I stay or should I go wandern (natürlich signiert) in meine Tasche. Nach einem kleinen Schwätzchen mit den Musikern mache ich mich schließlich auf den Weg zum Auto und von dort nach Hause.

Wie war's?

Die Cover-Versionen Nouvelle Vague funktionieren live erstaunlich gut und ich war positiv überrascht. Neben Bossa Nova und Easy Listening hat die Band ihre Bandbreite um Americana, Rockabilly, Psychedelia, Swing, Jazz und einige weitere Versatzstücke erweitert.


Dies tut den Liedern ausgesprochen gut und es kommt keinerlei Langeweile auf. Teilweise gelingt es Marc Collin sogar, einzelne Aspekte der Stücke besonders herauszuarbeiten und die Stimmung der Originale zu übertreffen. Grade bei den Covern aus dem Gothic-Bereich funktioniert das hervorragend - was auch an den beiden Sängerinnen liegen dürfte. Zweifellos hat die Band viel richtig gemacht, denn das Publikum ging praktisch von Anfang bis Ende mit und es war meist Bewegung im Saal. Die Set-List deckte ein weites Spektrum ab - von Stücken an denen man in den 1980er nicht vorbei kam, über Tracks die auch heute nach oft im Radio oder auf einschlägigen Partys gespielt werden, bis hin zu obskurem Zeug, bei denen die Originale nur eingefleischten Fans bekannt sein dürften.


Ein oder zwei Sachen hätte ich gerne noch gehört - aber ich will mich nicht beschweren. Zum gelungenen Konzert hat Nadeah (eigentlich Nadéah Miranda) mit ihrer lockeren, direkten Art sicherlich ihren Anteil gehabt, was auch vom Publikum entsprechend honoriert wurde.

Der Frankfurter Hof hat sich glücklicherweise seit meinem letzten Besuch kaum verändert. Die Atmosphäre ist immer noch entspannt und familiär. Keine übel gelaunte Security, kein überfordertes Personal an der Theke und keine abbruchreifen sanitären Einrichtungen verderben hier den Konzertbesuch. Leider stehen jedoch kaum Veranstaltungen im Programmplan, die mich zum Besuch reizen. Aber das kann ja noch werden...

 


 

Samstag, 9. November 2024

SPIEL '24



[Messe] SPIEL '24

02. bis 06. Oktober 2024 
Grugahallen, Essen

 

Die Vorbereitungen

2023 hatte es, nach nunmehr vierjähriger Abstinenz, nur für einen eintägigen „Schnupper-Besuch“ auf der SPIEL gereicht. Erwartungsgemäß hatte ich an diesem einen Tag nur wenig von der Messe gesehen und mehr Zeit damit verbracht, alte Kontakte und Bekanntschaften zu reaktivieren. Nun wollte ich es in 2024 besser machen und wieder das volle Programm absolvieren. Die Veranstaltung war in diesem Jahr ungewöhnlich früh – die Eröffnung fand am 3. Oktober, einem Feiertag statt. Meines Wissens gab es diese Konstellation bisher noch nicht.

Die ModerationDie Organisation im Vorfeld verlief wie gewohnt sehr entspannt und professionell – an dieser Stelle vielen Dank an den Friedhelm Merz Verlag für die prompte Akkreditierung. Schwieriger gestaltete sich die Buchung eines Hotelzimmers. Aber auch hier war ich schließlich erfolgreich und landete im gleichen Hotel UND Zimmer wie bereits 2019. Sogar mein Chef hatte ausnahmsweise keine Einwände gegen den Urlaub und so konnte ich mich an die Detailplanung machen. Nach so langer Abwesenheit wollte ich gerne wieder persönlich bei dem einen oder anderen Verlag vorbei schauen. Zahlreiche Anfragen später hatte ich auch einen recht umfangreichen Terminplan – der mir allerdings genug Zeit für Streifzüge durch die Hallen ließ. Auch Gelegenheiten, mich mit Freunden und Bekannten zu treffen, hatte ich eingeplant, ebenso wie ein lockeres Abendprogramm.

Je näher der Termin rückte, desto mehr Hektik setzte bei mir ein. Es galt, einen Ablaufplan zu schreiben, mich auf die Verlagsneuheiten vorzubereiten und noch einige Besorgungen zu erledigen. Doch schließlich meisterte ich auch diese Hürden und belud spät am Dienstag meinen Wagen.

Ich kann mich nicht daran erinnern, wann die Fahrt nach Essen zum letzten Mal so reibungslos vonstattenging, wie in diesem Jahr. Trotz zahlreicher Baustellen und gelegentlich stockendem Verkehr bog ich fast 90 Minuten vor der Eröffnungskonferenz auf den Parkplatz ein. Die Wartezeit überbrückte ich mit einem entspannten Frühstück in einer nahegelegenen Bäckerei, bevor ich mich schließlich den Pressevertretern und Ausstellern anschloss, die in Richtung des Eingangs pilgerten.

Mittwoch, 2. Oktober 2024

Traditionell beginnt die SPIEL am Mittwoch vor der eigentlichen Eröffnung mit einer Pressekonferenz und der Neuheiten-Schau. Schon hier gibt es für mich die ersten Neuerungen. Die Veranstaltung findet nicht mehr in einem der Konferenzsäle statt, sondern im Eingangsbereich Ost. Und auch sonst hat das neue Orga-Team verschiedene Änderungen angestoßen, die den Messeablauf mal mehr, mal weniger stark beeinflussen.

MeepsVor allem fällt ein Herr, gekleidet in Felle und Kettenhemd, auf, dessen finstere bärtige Züge schon von zahlreichen Messeplakaten bekannt sind. Dem musikalisch interessierten Spieler ist natürlich klar, dass es sich hier um Alea handelt – seines Zeichens Sänger und Frontmann der Mittelalter-Rocker von Saltatio Mortis. Dieser ist in das „Gesicht“ der SPIEL, unterstützt bei der Moderation und plaudert über seinen Bezug zu Spielen.

Auch das Messe-Maskottchen Meeps ist in diesem Jahr allgegenwärtig. Es wandert in Überlebensgröße durch die Hallen und lässt sich geduldig von Besucher ablichten. Auch sonst ist die Figur überall präsent, sei es auf Plakaten und Aushängen, als Miniatur beim Speed-Painting, allerlei Merchandise und sogar als Titelfigur des messeeigenen Brettspiels Loot von Skellig Games.

Nachdem die Begrüßungsformalitäten erledigt sind und jeder seinen Platz gefunden hat, beginnt die eigentliche Pressekonferenz. Traditionell gibt es hier einen Überblick auf die aktuelle Entwicklung der Spielebranche, sowohl auf dem heimischen Markt, als auch im internationalen Geschäft. Zahlreiche Fragen aus dem Besucherraum werden dabei beantwortet, Ausblicke und Prognosen vorgestellt und generell mit vielen Zahlen untermauert.

Einer der Höhepunkt der Veranstaltung ist immer wieder die Verleihung des Deutschen Spielepreises. In diesem Jahr kann Mischwald von Lookout die begehrte Trophäe einstreichen, dicht gefolgt von Sky Team und Die Weiße Burg. Bei den Kinderspielen gewinnt Die magischen Schlüssel den Preis.

Zwischendurch kommen immer wieder Meldungen über die offizielle Messe-App, dass Tages-Tickets zur Neige gehen und schließlich das Kontingent ausgeschöpft ist. In meinen gut 25 Jahren auf der SPIEL ist so etwas noch nie vorgekommen, glaube ich.

Nach diesem offiziellen Teil wird die Neuheitenschau eröffnet. Diese Gelegenheit nutzen viele Verlage als „Schaulaufen“ um ihre Spiele dem geneigten Fachpublikum zu präsentieren. Für mich ist es eine willkommene Möglichkeit, einen Blick auf einen Großteil der Neuheiten zu werfen und in meine Planung für die nächsten Tage einzubeziehen. Außerdem kann man noch in relativ entspannter Atmosphäre mit den Verantwortlichen und Besuchern plaudern.

Ausgelassene Stimmung
Für mich sind vor allem die kleineren Verlage interessant, die normalerweise unter dem Radar fliegen. So haben es beispielsweise Buró zum ersten Mal auf die SPIEL geschafft. Die Argentinier haben sich auf schnelle, einfache und teils geschmacklich fragwürdige Partyspiele spezialisiert – die es auch in deutscher Sprache gibt. Nach einem ausgedehnten Plausch mit der freundlichen Dame am Stand nimmt sie mir das Versprechen ab, sie am Folgetag zu besuchen und eine Testrunde zu spielen.

Nur wenige Meter weiter sehe ich mich am Stand von HASBRO unvermittelt Eric M. Lang gegenüber, der beim Verlag Leben in Reterra veröffentlicht hat. Nach einem kurzen Abriss über das Spiel und seine Empfehlungen für die Messe verabschiede ich mich und geh zu meinem ersten „offiziellen“ Termin.

Der Stand von Piatnik ist, wie bei vielen anderen Verlagen, sehr hübsch anzuschauen und thematisch dekoriert. In diesem Fall steht das Umzugsspiel Moving Day im Vordergrund, bei dem es darum geht, seine Umzugsfahrzeuge möglichst effizient zu nutzen. Da mein letzter Umzug noch nicht so lange her ist, kann ich mich sehr gut in das Spiel hinein versetzen. Auch das Legespiel Calcada macht einen interessanten Eindruck. Besonders gefällt mir jedoch Perfect Words und ich probiere gerne eine schnelle Partie aus.

Ab in den Dungeon

Mit Hansi Kürsch, dem Sänger von Blind Guardian läuft mir ein weiterer Musiker über den Weg. Schaut man sich das Schaffen, der Band an, so stellt sich die Frage, warum vorher noch niemand auf die Idee kam, ein Spiel passend zum epischen Fantasy-Metal zu entwerfen. Mit From the Other Side, einem Dungeon Crawler, wird diese Lücke nun geschlossen. Ich lasse mir vom Autor eine kleine Einführung geben. Es gibt hier tatsächlich einige originelle Elemente, die es von anderen Titeln des Genres abheben und ich nehme mir vor, das Ganze bei Gelegenheit genauer zu betrachten.

Weiter geht es durch die Halle, in der es viele kleine, aber feine Dinge zu entdecken gibt. Die (relative) Ruhe nutze ich zudem, um mich ausgiebig mit dem Standpersonal zu unterhalten und die recht hübschen und zahlreichen Walking Acts zu bestaunen.

Am frühen Nachmittag habe ich jedoch alles gesehen, was ich sehen musste und mache mich auf den Weg zum Hotel in Oberhausen. Hier hat sich augenscheinlich nichts seit meinem letzten Aufenthalt vor fünf Jahren geändert – was irgendwie tröstlich ist. Nach einer kurzen Pause erledige ich noch einige Besorgungen für Donnerstag und Freitag. Schließlich treffe ich mich abends mit Bekannten bei den nahegelegenen Burger Nerds auf einen leckeren (und sehr mächtigen) Burger.

Donnerstag, 3. Oktober 2024

Etwas zerknirscht mache ich mich morgens auf den Weg nach Essen und komme erneut viel zu früh am Parkplatz an. So bleibt mir Zeit für ein kurzes Frühstück, während dem ich ein letztes Mal meine Termine und Notizen durchgehe.

Die Schlange wächst langsam aber sicher an, doch glücklicherweise kann ich mit meiner Akkreditierung in einen etwas abgelegenen Bereich – hier hält sich das Gedränge in einem überschaubaren Rahmen. Dennoch lassen sich einige ungeduldige (und uneinsichtige) Besucher immer wieder auf Diskussionen mit dem Sicherheitspersonal ein. Auch das Verbot von überdimensionierten Rucksäcken sorgt für Unmut, obwohl es im Voraus ausreichend kommuniziert wurde.

Als der Startschuss fällt, läuft der Einlass jedoch recht zivilisiert und zügig ab – zumindest soweit ich das beurteilen kann. Hier hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder Engpässe gegeben. Doch das Personal an den Toren hat die Lage im Griff und ist auch zahlreich vertreten. Eine deutliche Verbesserung zu meinen vorherigen Besuchen.

Warten auf den StartschussIch beeile mich, einige Besorgungen zu erledigen – erfahrungsgemäß sind manche Dinge schnell ausverkauft. Meine Spielerunden haben mir eine umfangreiche Wunschliste mitgegeben, ebenso wie Kollegen. Dank der Messe-App finde ich mich gut zurecht und kann die Beute in Rekordzeit zusammenraffen. Nach gut einer Stunde ist der Rucksack prallvoll und ich gehe zu einem Zwischenstopp ans Auto. Vor der zweiten Runde geht es auf einen Abstecher ins neue Pressezentrum, dass nun über dem Eingang der Halle Ost liegt. Wie bei so vielen anderen Dingen muss ich mich daran gewöhnen. Bis zu meinem ersten Termin ist noch ein wenig Zeit und so besuche ich die Stände von Bekannten, um mich nach langer Abwesenheit wieder zurückzumelden.

Nachdem ich am Vortag bei der Neuheiten-Schau einen Blick auf Loot das offizielle Spiel zur Messe, werfen konnte, gehe ich zügig zu Skellig Games. Bereits gestern ging das Gerücht, dass die Vorräte begrenzt sind – und diese Gelegenheit wollte ich mir nicht entgehen lassen. Das Spiel selbst präsentiert sich als „Roll & Draw“, bei dem die Spieler mittels Würfelwürfen möglichst alle Stände der SPIEL abklappern müssen, um die meiste Beute bzw. Punkte anzuhäufen. Spielerisch sicherlich keine Offenbarung, aber ein sehr nettes, kurzweiliges Spiel mit passendem Thema.

In einem abgetrennten Bereich der Messe haben die größeren Verlage ihre separaten Gesprächsräume eingerichtet. Ich biege falsch ab und lande in einer Veranstaltung von Asmodee – bemerke meinen Fehler aber glücklicherweise schnell und finde den richtigen Eingang zu Schmidt Spiele. Hier ist es angenehm ruhig und die Atmosphäre entspannt – kein Vergleich zu Hektik nur wenige Meter entfernt in der Halle. Hier bekomme ich einen umfangreichen Überblick über die Neuheiten, wobei für mich davon nur relativ eine Handvoll Titel interessant sind. Forbidden Jungle und Skull Queen sind die beiden Spiele, die mich dabei am meisten ansprechen. Das freundliche (und kompetente) Personal gibt mir daher einen ausführlichen Einblick in Aufmachung und Spielmechaniken.

3 Chapters

Weiter geht es zu Amigo. Die Neuheiten des Verlags hatte ich mir bereits einige Tage vorher bei der hauseigenen Messe in Dietzenbach angeschaut und Probe gespielt. Allerdings war meine übliche Ansprechpartnerin nicht vor Ort gewesen. Daher lasse ich es mir nicht nehmen, hier kurz vorbei zu schauen und „Hallo!“ zu sagen – zumal der nächste Termin schräg gegenüber auf mich wartet.

Erwartungsgemäß haben auch abacusspiele einige Neuheiten im Programm. Mit Anno Domini – Eco findet eine meiner Lieblingsspieleserien eine Fortsetzung und ich kann einen ersten Blick auf die Karten werfen. Deutlich umfangreicher kommt Camargue daher. Bei diesem Legespiel müssen die Spieler Landschaften zusammenstellen und dabei entsprechend Punkte kassieren. Die hübsche Optik und das unaufgeregte Spielprinzip sorgen dafür, dass ich es auf meine To-Do-Liste packe. Zudem legt mir meine Ansprechpartnerin noch Up or Down? ans Herz – ein kurzweiliges Kartenablage und -sammelspiel aus der Feder von Wolfgang Kramer und Michael Kiesling.

Im Anschluss muss ich mich beeilen, um meine letzte Verabredung für diesen Tag nicht zu verpassen. Der Weg zu NSV hat in der App gar nicht so weit ausgesehen, doch die Gänge sind voll und ich weichehäufig von der „Hauptroute“ ab. Dennoch erreiche ich mein Ziel – grade so. Der Verlag hat sich schon lange auf schnelle, unkomplizierte Würfel- und Kartenspiele spezialisiert. Auch die diesjährigen Neuerscheinungen bilden hier keine Ausnahme. Mein besonderes Augenmerk gilt dem Kartenlegespiel Sideboards, bei dem die Spieler Kommoden nach Farben und Mustern zusammenstellen müssen. Außerdem gefällt mir das Konzept von Charidice recht gut. Wie bei unzähligen anderen Würfelspielen gilt es hier bestimmte Kombinationen zu erwürfeln. Originell ist dabei allerdings, dass man seine Mitspieler mit Würfeln beschenken kann. Nach weiterem Smalltalk verabschiede ich mich und habe damit mein offizielles Messeprogramm für heute abgeschlossen.

Was mir in diesem Jahr auffällt, sind die Vielzahl an Krimispielen und vor allem Krimi-Dinnern. Da ich immer nach neuem Futter für meine verschiedenen Spielerunden bin, schaue ich mir interessiert die Veröffentlichungen an. Von vielen der ausstellenden Verlage habe ich noch nicht einmal etwas gehört – daher sind deren Spielen umso spannender. Mein erster Halt ist dabei Parameter B. Hier ist es vor allem die geringe Spielerzahl (und natürlich die Thematik), die Irren ist tödlich für mich interessant macht. Die Leiterin einer Nervenheilanstalt wurde in ihrem Büro getötet und einer der vier Insassen ist dafür verantwortlich. Eine willkommene Abwechslung zu den Runden, die meist acht oder gar zehn Teilnehmer erfordern.

Ein Kindheitstraum!Obwohl es den bayerischen Samhain Verlag bereits seit 15 Jahren gibt, ist mir dieser völlig unbekannt. Die Bandbreite der Veröffentlichungen ist thematisch breit gefächert. Nach einem längeren Gespräch mit Verlagsleiter und Autor Roger Krykon entscheide ich mich gleich für drei Spiele – was rein gar nichts mit dem passenden Likör. Bei Die Kommune gilt es, den heimtückischen Mord an der WG-Ratte aufzuklären. Die Verlobungsfeier führt ins finstere Mittelalter an einen Fürstenhof. Während der Feierlichkeiten kommt dabei der Vater der Braut unter merkwürdigen Umständen zu Tode. Und zu guter Letzt wandert noch Ruf der Tiefen in meinen Rucksack. Kingsport, tiefe Wesen, Wahnsinn und Kultisten – die ideale Nebenbeschäftigung für meine Cthulhu-Spielrunde.

Kein Messebesuch ohne einen Abstecher bei Freebooter Miniatures. Werner Klocke und seine Crew stellen nicht nur eine neue Fraktion für ihr grandioses Piraten-Skirmish-Tabletop Freebooters Fate vor, sondern haben dazu passendes MDF-Gelände im Gepäck. Traditionell decke ich mich bei dieser Gelegenheit mit der Messe-Figur und anderen limitierten Püppchen ein. Auch komme ich nicht drumherum meine Mannschaft(en) gezielt mit einigen Neueingängen zu verstärken. Das Hauptaugenmerk liegt jedoch auf Ascending Fate, dem neuen SciFi-Spiel des Verlags. Nach einer kurzen Testrunde widerstehe ich erfolgreich dem Drängen, mir Regeln und Figuren zu kaufen. Noch ein System kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren.

Die Halle hat sich zwischenzeitlich deutlich geleert – es geht auf Messeschluss zu. Bevor ich mich auf den Heimweg mache, schaue ich, wie versprochen, bei Buró vorbei. Die Auswahl an Trink- und Partyspielen ist wirklich breit gefächert. Nach weiterer kompetenter Beratung packe ich schließlich Beschissene Freunde und Beschissene Entscheidungen ein. In beiden Spielen wird (offen) über bestimmte Fragen abgestimmt, was bei deren Natur ein gewisses Konfliktpotential birgt. Sicherlich keine Spiele für die harmoniebedürftige Familienrunde – aber mit den richtigen Mitspielern sollten sie durchaus Spaß machen.

Nicht ganz geschmackssicher

Um beim Thema der fiesen Partyspiele zu bleiben, mache ich zum Schluss noch einen Abstecher zu Kampfhummel, einem Verlag aus der Schweiz, der sich auf dieses Genre spezialisiert hat. Diesmal handelt es sich bei der Neuheit um Arschlochmensch – den Nachfolger des großartigen (und nur ein klein wenig bösen) Arschlochkind. Nach einem kurzen Schwätzchen mit dem Standpersonal und dem obligatorischen Schnaps wandert das Spiel gleich in dreifacher Ausführung zu meinen Einkäufen. Jetzt schon an Weihnachten denken!

Dieser erste „richtige“ Messe-Tag hat mich doch mehr mitgenommen, als ich erwartet habe. Wahrscheinlich bin ich solche Veranstaltungen einfach nicht gewohnt. Daher beschränke ich mich auf ein bisschen Fast Food auf dem Weg zum Hotel und spare mir die abendliche Tour durch das Oberhausener Nachtleben. Schließlich sitze ich ziemlich geschafft in meinem Zimmer und betrachte mit leuchtenden Augen die Beute des Tages. Schon bald dämmere ich jedoch weg und werde rüde am nächsten Morgen durch den Wecker aus dem Schlaf gerissen.

Freitag, 4. Oktober 2024

Den Freitag beginne ich erstaunlich fit und entspannt mit einem Frühstück in der Bäckerei eines benachbarten Supermarktes. Frisch gestärkt kämpfe ich mich durch den allmorgendlichen Berufsverkehr gen Essen. Dem Brückentag geschuldet halten sich die Staus glücklicherweise in einem überschaubaren Rahmen. So komme ich tatsächlich mit intaktem Nervenkostüm auf dem Parkplatz vor den Gruga-Hallen an. Hier hat sich schon eine größere Menschenmenge gebildet, die kurz darauf in der riesigen Vorhalle verschwindet. Ich folge der Masse, biege aber rechtzeitig ab, um in den abgetrennten Zugangsbereich zu gelangen.

Der zweite Messetag beginnt mit einem Besuch bei HeidelBÄR Games. Die Klapperschlange hatte ich bereits zuvor in Nürnberg angespielt. Daher konzentriere ich mich auf die ganz, ganz frischen Veröffentlichungen. Bei Snatch It! muss man als Frosch Insekten verschlingen und dabei dem gefrässigen Storch aus dem Weg gehen. Alleine die putzigen Illustrationen machen das Spiel lohnenswert. Die Neuauflage von Mü & mehr hat hier ihr neues Heim gefunden. Da dieser Klassiker bisher komplett an mir vorbeigegangen ist, werfe ich auch hierauf einen neugierigen Blick. Und schließlich gibt es mit Yro ein japanisch angehauchtes Fantasyspiel, bei dem es darum geht, eine mächtige Abenteurergilde aufzubauen. Bisher kannte ich nur einige Artworks, aber diese konnten überzeugen. Nach einem schnellen Testlauf weckt auch das Spiel selbst meine Neugier.

Schon am Vortag war mir der Stand von Van Ryder Games aufgefallen. Nun habe ich die Zeit, die hier ausgestellten Spiele genauer in Augenschein zu nehmen. Obwohl der Verlag eine ganze Reihe an Detektiv- und Gesellschaftsspielen hat, steht auf der Messe das Solo-Spiel Final Girl mit seinen zahlreichen Erweiterungen und Ausbau-Sets im Vordergrund. Thematisch konzentrieren sich die Spiele auf die, aus Horrorfilmen bekannte, finale Konfrontation zwischen der letzten Überlebenden und dem Monster/Slasher/Alien/Untoten. Zum einen finde ich die Grundidee sehr charmant und auch die Umsetzung kann, zumindest im kurzen Testspiel, voll überzeugen. Hier wandern die Grundbox und zwei weitere Szenarien in meinen Rucksack. Genau das richtige für winterliche Spieleabende.

RuhezoneGenerell ist das Thema Horror auf der diesjährigen Messe gut vertreten. So konzentriert sich beispielsweise Pagan von Wyrmgold auf den Machtkampf zwischen Hexe und Hexenjäger in der frühen amerikanischen Siedlung Roanoke. Hier wetteifern zwei Spieler um Macht, Einfluss, Verbündete und dämonische Kräfte. Neben der atmosphärischen Aufmachung ist es auch die Thematik, die mich hier zugreifen lässt. Das Grundspiel, die Erweiterung und drei Kartenpacks gesellen sich zur bisherigen Beute. Wie ich vor kurzem feststellen musste, ist meine heimische Auswahl an Zwei-Personen-Spielen eher überschaubar; und hier bietet sich eine willkommene Gelegenheit dem Abhilfe zu schaffen.

Nachdem die Konsumgelüste fürs erste befriedigt sind, mache ich mich wieder an die „Arbeit“ und schaue bei HCM Kinzel vorbei. Bei den meisten Neuerscheinungen passe ich nicht in die Zielgruppe. Doch schon die beiden Vorgänger von Next Station Tokyo haben mir sehr gut gefallen und auch der neueste Ableger der Serie enttäuscht nicht. Die Regeln sind etwas komplexer, der Fahrplanbau ist etwas schwieriger, aber die Testpartie macht schon Spaß. Für Score 5 wird kurzerhand ein weiterer Pressevertreter zwangsrekrutiert. Ich finde das Bietspiel recht originell – allerdings sind drei Mitspieler definitiv zu wenig. Das muss ich bei Gelegenheit in größerer Runde ausprobieren.

Kommt mir bekannt vor...

Zwischendurch treffen wir uns mit einer größeren Gruppe auf dem Außengelände für eine verspätete Mittagspause. Hier stehen ausnahmsweise nicht die Spiele im Vordergrund – wobei hier auch reichlich Tipps ausgetauscht werden. Aber in erster Linie geht es um das Auffrischen alter Freundschaften; wir haben uns teils schon seit mehreren Jahren nicht gesehen. Diese Treffen sind jedes Mal der heimliche Höhepunkt der SPIEL. Nachdem wir uns alle gestärkt und ein wenig von den Strapazen erholt haben, stürze ich mich wieder ins Getümmel.

Meine nächste Station ist der Stand von Remarkable Miniatures. Hier hat sich ein Bekannter den (Alp-)Traum einer eigenen Miniaturenserie verwirklicht. Die Figuren sind recht speziell und zeigen die düsteren Varianten von Märchen- und Sagengestalten – mir gefallen sie sehr. So sehr, dass ich einmal fast das komplette Sortiment einpacke. Am Vortag waren alle Püppchen ausverkauft, so dass er zu seinem Drucker ins benachbarte Ausland fahren musste, um Nachschub zu holen. Dazu passend sind direkt nebenan ständig 3D-Drucker am werkeln und spucken neue Figuren aus erstaunlich stabilem Material aus. Da ich mich sowohl beruflich wie auch privat mit dieser Technik auseinandersetze, frage ich die Standbetreibern gründlich aus, bevor ich weiter ziehe.

In unmittelbarer Umgebung gibt es zahlreiche Stände, die sich mit der Miniaturenbemalung und dem dazu benötigten Zubehör beschäftigen. Pinsel, Farben, Base-Material, Anleitungen oder andere Hilfsmittel sind hier zuhauf erhältlich. Auch einer meiner Lieblingsdealer hat hier (meines Wissens zum ersten Mal) einen Stand. Daher nutze ich die Gelegenheit und es wandern verschiedene Kleber und Werkzeuge in den nimmervollen Rucksack.

Fleißige PinselschwingerMittlerweile geht auch dieser Tag langsam zu Ende und ich bin einer der letzten, die die Hallen verlassen und in Richtung Parkplatz schlendern. Obwohl ich den ganzen Tag kreuz und quer über die Messe gezogen bin, fühle ich mich noch erstaunlich fit. Tatsächlich so fit, dass es nach einem kurzen Abstecher ins Hotel schon bald wieder auf Tour geht. Diese führt mich zum Kulttempel, wahrscheinlich eine der bekanntesten Örtlichkeiten in Oberhausen, was Musik jenseits den Mainstream angeht. An diesem Abend findet hier eine Party mit Musik der eher düsteren Sorte statt – was mir sehr entgegenkommt. Erst gegen 2 Uhr mache ich mich, nicht mehr ganz sicher auf den Beinen, auf den Weg zurück zum Hotel.

Samstag, 5. Oktober 2024

Langsam machen sich die ersten Ermüdungserscheinungen bemerkbar, doch tapfer raffe ich mich auf und fahre wieder gen Essen. Für den heutigen Tag habe ich mir kein festes Programm vorgenommen, will aber bei einigen Verlagen vorbeischauen.

Ich komme etwas später als an den Tagen zuvor an und der Weg Richtung Parkplatz gestaltet sich problematisch. Einige Fahrer haben offensichtlich Probleme, die Ausschilderung zu lesen und glauben, dass sie mit vehementer Diskussion und unflätigen Kraftausdrücken ihre eigenen Regeln aufstellen können. Glücklicherweise lassen sich die Ordner nicht aus der Ruhe bringen und irgendwann ist die Störung beseitigt, so dass der Verkehr weiter fließen kann.

Gemütlich...

Mittels der App bahne ich mir den Weg zu verschiedenen Ausstellern, treffe Bekannte und lasse mich von den ausgestellten Spielen inspirieren. Dabei mache ich bei der Redaktion Phantastik Station, die neben ihrem Detektivrollenspiel nach mehrjähriger Wartezeit auch die deutsche Version des Steampunk-Rollspiels Wolsung präsentieren können.

Weiter geht es zu Ulisses Spiele, an deren Stand grade Ausnahmezustand herrscht. Saltatio Mortis haben sich hier zur Autogrammstunde eingefunden, um die Abenteuerbox Finsterwacht entsprechend zu feiern. So halte ich mich hier nicht länger als unbedingt nötig auf und ziehe weiter.

Der polnische Miniaturenhersteller Titan Forge hat neben vielen sehr schicken Figuren auch einen Ausblick auf ein neues Brettspiel. Dabei handelt es um das von mir sehr geschätzte Lobotomy II – einen Dungeon Crawler, bei dem die Spieler die Patienten einer Nervenheilanstalt bzw. Insassen eines Gefängnisses übernehmen. Mit der kommenden Erweiterung hält der Wahnsinn nun Einzug in unterschiedlichen Dimensionen. Ein erster Ausblick auf die Spielkomponenten macht Lust auf mehr und eine Promo-Miniatur gibts obendrauf.

Mittlerweile haben sich auch Vitrinen bei Games Workshop gefüllt. Der Tabletophersteller aus Nottingham richtet zum ersten Mal auf der SPIEL seinen prestigeträchtigen Malwettbewerb Golden Demon aus. Ich verbringe eine gefühlte Ewigkeit, mir die ausgestellten Figuren anzuschauen. Auf der einen Seite frustriert mich das Gesehene, da ich dieses Niveau selbst in meinen besten Zeiten nicht erreicht hätte. Auf der anderen Seite regt sich in mir aber wieder die Lust, den Pinsel zu schwingen und der heimischen „Pile of Shame“ zu Leibe zu rücken. Bei der Gelegenheit treffe ich gleich mehrere Bekannte, die ich schon wirklich lange nicht gesehen habe. Nach einem kurzen Shopping-Abstecher ins Innere des Standes, beeile ich mich hier wegzukommen, um nicht der Versuchung weiter nachzugeben.

ZauberhaftNachdem ich zwei Hallen durchquert habe, lässt das Konsumbedürfnis etwas nach. Als Nächstes folgt ein Abstecher bei Maxine Metzger – deren Arbeit mir bereits am Mittwoch aufgefallen war. Als Illustratorin, Autorin, Verlagsleiterin und Vertriebskraft in Personalunion hat sie zum ersten Mal einen Stand auf der Messe und stellt dort ihr Spiel Witchcraft. Thematisch kann ich damit wenig anfangen, aber mir gefallen die Zeichnungen gut – daher gehen einige Postkarten in meinen Besitz über.

Bei vielen der „großen“ Spieleverlage herrscht dichtes Gedränge, so dass ich erst gar nicht den Versuch unternehme, dort etwas anzutesten und mich mit meinen Kontakten zu treffen. Dennoch kann ich nicht bei Pegasus Spiele vorbeigehen, ohne mir die Neuheiten anzuschauen. Neben den zahlreichen Brett- und Kartenspielen sind es vor allem die Rollenspielsysteme des Verlags, die mich immer wieder reizen. Wie bereits in den vergangenen Jahren sind mehrere kleine Separees am Stand eingerichtet, in denen verschiedene Runden gespielt werden. Wie gewohnt ist die Versorgung mit Promo-Material vorbildlich: Schnellstart-Regeln, Sonderkarten und allerlei Bonusmaterial wird dem gegeben, der artig danach fragt. Vielen Dank an dieser Stelle an das nette Standpersonal.

Spielen konnte man auch

Zwischendurch erreichen mich immer wieder WhatsApp-Nachrichten, mit Dingen, die ich den Daheimgebliebenen mitbringen soll. Ich versuche, all diese Wünsche so gut es geht zu erfüllen – manchmal sind die Sachen bereits ausverkauft oder es würde schlicht meinen finanziellen Rahmen sprengen. Aber ein wenig nerdige Kleidung, beispielsweise bei Grumpy Geeks ist ebenso machbar wie Promokarten für Mischwald oder das ganz frische erschienene Miezekatze. Auch ein spontanes Geburtstagsgeschenk finde ich in einem der unzähligen Verkaufsstände.

Das Abendprogramm sieht diesmal einen Abstecher ins Westfield Centro vor. Traditionell fallen wir mit einer größeren Gruppe im Neon ein – einem griechischen Restaurant, dass nach vielen Jahren immer noch überzeugen kann. Allerdings beende ich den Abend relativ früh, da ich nicht mehr wirklich fit bin. Bereits der Absacker wirft mich ein wenig aus der Bahn und ich bin froh, als ich im Bett liege.

Sonntag, 6. Oktober 2024

Der letzte Messetag bricht an und es geht mir nicht wirklich gut. Zu Kopfschmerzen haben sich noch Rücken- und Knieprobleme und ein kratzender Hals gesellt. Dennoch schleppe ich mich tapfer auf die Messe.

Glücklicherweise sind alle Termine erledigt, die Einkaufslisten abgearbeitet und auch meine eigene Sammelwut (weitgehend) befriedigt. So bleibt mir eigentlich nur, entspannt durch die Hallen zu wandern und in abgelegene Winkel zu schauen – denn selbst am vierten Tag gibt es immer noch Neues zu entdecken. Ansonsten verbringe ich den Rest des Tages damit, Schwätzchen mit Freunden und Bekannten zu halten und mich schließlich nach und nach überall zu verabschieden.

Schon etwas älterObwohl es mir gar nicht so spät vorkommt, zeigt ein Blick auf die Uhr, dass der Nachmittag schon weit fortgeschritten ist. Mittlerweile baue ich merklich ab; die dritte Schmerztablette ist dabei auch nicht unbedingt hilfreich. Allerdings beeile ich mich nicht, mein Auto zu erreichen und schaue mir noch die eine oder andere (geplünderte) Verlagsauslage an. Tatsächlich finden doch zwei, drei Spiele, an denen ich an den Vortagen erfolgreich vorbei gekommen bin, den Weg in meinen Rucksack.

Schließlich bin ich doch froh, alles verstaut zu haben und auf den Heimweg zu machen. Das Navi zeigt weitgehend freie Fahrt und tatsächlich komme ich ungewohnt gut voran. Am frühen Abend erreiche ich dann Pfalzfeld und lege einen traditionellen Zwischenstopp am dortigen Rasthof ein. Nach der kurzen Pause fällt es mir zwar relativ schwer, mich wieder aufzuraffen, aber von dort ist es nur noch eine halbe Stunde bis zur heimischen Couch. Als ich endlich zu Hause eintreffe, bin ich ziemlich geschafft von den Strapazen der Messe und auch von der langen Heimfahrt. Ich verzichte sogar darauf, meine Beute auf dem Wohnzimmertisch auszubreiten, sondern falle fast sofort ins Bett.

Das Fazit

Natürlich stellt dieser Text nur einen klitzekleinen Ausschnitt dessen dar, was ich in viereinhalb Tage gesehen habe. Auch bei vielen anderen Verlagen, beispielsweise Kosmos, Iello, Ravensburger, Denkriesen oder moses. habe ich vorbeigeschaut. Dies würde allerdings den Rahmen dieser Nachlese deutlich sprengen. Glücklicherweise gibt es aber genug Kollegen, die sich alle auf unterschiedliche Aspekte der Messe konzentriert haben – auch dort kann man sich einen Überblick verschaffen. Für mich sind es eher die kleinen, unbekannten Verlage, die man kaum im einschlägigen Einzelhandel oder bei den Online-Händlern findet. Hier gibt es unglaublich viele lustige (Arschmallows XXL), böse (Dark Humour), obzöne (The Dick sits) oder einfach nur merkwürdige (Wurst Case Scenario) Spiele zu entdecken. Ich weiß zwar nicht, wann wir die Sachen alle spielen sollen, aber ich bemühe mich stets.

Nach der SPIEL ist vor der SPIEL

Die Veranstalter haben bei der Organisation der SPIEL, zumindest aus meiner Sicht, vieles richtig (und besser) gemacht. Die Gänge sind breiter, die Abläufe flüssig und die Atmosphäre ist deutlich entspannter – trotz des gewaltigen Menschenaufkommens. Dabei hilft es, dass kaum noch Spielewütige mit überdimensionierten Rucksäcken durch überfüllte Gänge pflügen, dass es keine Sackgassen gibt und dass generell der Standaufbau sehr vielfältig ist. Geblieben sind allerdings die Besucher die mit Bollerwagen oder umfunktionierten Kinderwagen ihre Einkäufe erledigen. Immerhin verhalten sich diese jedoch meist rücksichtsvoll.

An die Navigation mit der App habe ich mich mittlerweile gewöhnt – obwohl ich immer noch dem gedruckten Messenplan hinterher trauere. In der Hinsicht bin ich dann doch etwas altmodisch. Aber die Orientierung funktioniert richtig gut. Auch Ausstellerwechsel, Standabsagen und weitere Informationen kamen während der Veranstaltung zuverlässig auf das Handy. Die Idee mit dem Maskottchen und auch mit einem „Promi“ als eine Art Pate finde ich ebenfalls gar nicht schlecht. Dies verleiht, zumindest aus meiner Sicht, der SPIEL einen etwas persönlicheren Charakter.

Die thematische Aufteilung der verschiedenen Hallen war nicht wirklich strikt – dies hat zum einen die Suche nach bestimmten Ständen erschwert, andererseits aber auch dafür gesorgt, dass die Besucher ein wenig über ihren „Tellerrand“ hinausschauen. Generell finde ich es sehr gelungen, nicht nur Spiele, Spiele und noch mehr Spiele vorgesetzt zu bekommen. Spirituosen, Flohmarktstände, Illustratoren, ein bisschen Kunsthandwerk und verschiedenstes Zubehör runden das Angebot der Messe perfekt ab. Lediglich die Comics vermisse ich manchmal ein wenig. Ebenfalls einen guten Eindruck macht die Auswahl der Essen- und Getränkestände. Hier gibt es nicht nur Fast Food, sondern auch tatsächlich das eine oder andere (relativ) gesunde Lebensmittel.

Für mich hatte die Messe noch ein weiteres, eher unerfreuliches, Nachspiel. Der Verdacht auf eine „normale“ Erkältung bestätigte sich leider nicht. Stattdessen habe ich als Andenken eine ausgewachsene Corona-Infektion mitgebracht, die mich fast drei Wochen außer Gefecht setzt und mit deren Nachwirkungen ich auch noch lange danach zu kämpfen habe.

Laut den offiziellen Angaben des Veranstalters sind sowohl die Zahl der Aussteller (923) als auch die der Neuheiten (1.562) im Vergleich zum Vorjahr etwas zurückgegangen. Dafür wurde die Messefläche (68.500 qm) spürbar vergrößert. Zudem hat auch die Besucherzahl (204.000) hat noch einmal deutlich zugelegt.

Die Beute

 

Sonntag, 20. Oktober 2024

Ein Kessel Schwarzes


[Lesung] Ein Kessel Schwarzes

Freitag, 18. Oktober 2024
Das Rind; Rüsselsheim

 

Luci van Org mit ihren zahlreichen Musikprojekten und Erzählungen, Christian von Aster mit seinen Büchern und Kurzgeschichten und Oswald Henke, vor allem durch seine Arbeit mit Goethes Erben, dürften den meisten unserer Leser zumindest vom Namen her bekannt sein. Alle drei habe ich im Laufe der Zeit bereits mehrfach auf Konzerten oder Lesungen gesehen.
Entsprechend neugierig war ich, als im letzten Jahr mit Ein Kessel Schwarzes ein gemeinsames Projekt angekündigt wurde. Der Themenschwerpunkt seinerzeit war "Leichenschmaus" - doch leider versäumte ich, mir rechtzeitig ein Ticket zu organisieren. Als dann im Frühjahr 2024 das zweite Programm mit dem Thema "Familiengericht" in den Vorverkauf kam, beeilte ich mich, eine Karte für einen der drei Auftritte zu bekommen. Glücklicherweise steht neben Bayreuth und Leipzig auch Rüsselsheim auf dem Tourplan. So muss ich mich nicht auf eine Reise durch die halbe Republik machen, sondern nur gut 40 km durch den freitäglichen Feierabendverkehr quälen.

Die Location

Das Rind ist ein gemütlicher, kleiner Club in Rüsselsheim, praktisch direkt am Main-Ufer gelegen. Durch das vielfältige Programm gibt es eigentlich immer einen Grund, dem Ort einen Besuch abzustatten. Der offene Bereich zwischen dem dazugehörigen Restaurant und der Veranstaltungs-Location ist durch zahlreiche Schirme gesichert - was beim einsetzenden Nieselregen durchaus angebracht ist. Gut eine Stunde vor Beginn haben sich hier schon die ersten Gäste versammelt und warten draußen, andere sind im Innern noch mit ihrem Abendessen beschäftigt.
 

Der Bühnenaufbau

Während ich mich mit Freunden unterhalte, wird die Schlange der Wartenden schnell größer und kurz nach 19 Uhr haben die Veranstalter ein Einsehen und lassen uns hinein. Normalerweise fasst Das Rind bei Konzerten exakt 262 Personen. Für Ein Kessel Schwarzes ist diese Anzahl deutlich reduziert. Im ganzen Raum sind kleine, runde Tische mit jeweils vier Stühlen verteilt, so dass das Publikum es sich gemütlich machen kann. Im hinteren Teil haben traditionell Mischpult und Merchandise-Stand ihren Standort - so auch an diesem Abend.
Bevor es losgeht, durchstöbere ich das ausliegende Angebot und finde tatsächlich noch Dinge, die meiner Sammlung fehlen. Nachdem ich an der Theke für eine kleine Stärkung gesorgt habe, begebe ich mich wieder zu meinem Platz, der sich praktischerweise am Bühnenrand befindet.

Ein Kessel Schwarzes

Schon vor dem eigentlichen Beginn des Auftritts kann man die drei Künstler im Raum herumwuseln sehen, bevor sie sich schließlich kurz vor 20 Uhr in den Backstage-Bereich zurückziehen. Das gibt mir Zeit, die Dekoration genauer zu betrachten: ein Tapeziertisch, abgedeckt mit einem schwarzen Tischtuch steht im Zentrum der Bühne. Darauf Kunststoff-Geschirr und ein kleiner Kessel - ebenfalls in Schwarz gehalten. Am rechten Rand stehen Stuhl, Mikrofon und akustische Gitarre, während links, etwas nach hinten versetzt ein Bistrotisch steht. Auch dieser ist mit einem schwarzen Tuch verhüllt und wird von zwei Stundengläsern gekrönt.

Voller Einsatz!
In diese Szenerie treten dann auch recht pünktlich die drei Akteure um in einer kleinen Einleitung ihren Empfang im Das Rind zu loben. In der anschließenden Vorstellung werden die Rollen für den Verlauf des Abends definiert. Herr Henke ist der Miesepetrige, Herr von Aster übernimmt den Part des Humorvollen und Frau van Org ist die Anstrengende bzw. die Musikalische - nur damit es nicht zu Missverständnissen kommt. Auch wird kurz auf das Programm, das "Familiengericht", eingegangen. Entsprechend beschäftigt sich der erste Teil mit Recht und Gerechtigkeit, während im zweiten Part die Familie im Fokus steht.

Nach dieser kurzen Einleitung nehmen die drei Künstler am Tisch Platz, um die Geschichte vom Zappel-Philipp des Frankfurter Arztes und Autors Heinrich Hoffmann nachzustellen. Am Ende der wortgetreuen Umsetzung und nach einem (altersgerechten) Stunt, ist das Geschirr über die Bühne verteilt, Herr Henke liegt in die Tischdecke gehüllt am Boden und beiden anderen schauen fassungslos auf das Chaos.
Im Anschluss an diese eher lockere, humorvolle Sequenz stellen Frau van Org und Herr von Aster noch einige Fakten zum islamischen Scheidungsrecht und zum Schutz von Frauen vor, bevor sie die Bühne verlassen.

Christian von Aster
Herr Henke, mittlerweile alleine am "Tisch der Wahrheit" (dem Bistrotisch), nimmt die Zuschauer mit auf einen historischen Exkurs zu den Aufgaben und Einnahmequellen eines mittelalterlichen Scharfrichters. Auf diesen folgt mit "Fleischschuld" ein vorgetragener älterer Text von Goethes Erben über eine beklemmende Dystopie. Die gedrückte Stimmung wird auch durch den Wechsel zu Frau van Org nicht aufgehellt, die nach weiteren Fakten zu Gewalt gegen Frauen mit "Somnio" ein akustisches Stück ihrer Band Lucina Soteira zum Besten gibt.
Nach einem erneuten Wechsel steht nun Christian von Aster auf der Bühne. Diesmal gibt es eine kurze Geschichtsstunde über den wahrscheinlich eifrigsten deutschen Henker Johann Reichhart. Die mittlerweile etwas gedrückte Stimmung wird schließlich durch zwei Kurzgeschichten über Narren, Henker, Hexenrichter und Kartoffeln aufgehellt. Zwischenzeitlich sind wieder alle drei auf der Bühne und erzählen teils sehr persönliche Anekdoten zu Gerechtigkeit, familiären Verhältnissen und jugendlichen Missetaten. Nach diesem längeren Teil folgt ein kurzer Faktenblock zu sexueller Gewalt. Dies bildet die Überleitung zur Lesung eines Kapitels aus Luci van Orgs (teil-)autobiografischen Buch Wir Fünf und ich und die Toten.

Luci van Org
Um die Zuschauer nicht mit dieser doch etwas beklemmenden Stimmung in die Pause zu entlassen, folgt eine musikalische Darbietung, bei der alle drei beteiligt sind. Dabei handelt es sich um eine sehr gewöhnungsbedürftige, aber spaßige Cover-Version von "Der Kommissar", die den ersten Teil des Abends abschließt.

Nach einer wirklich kurzen Pause betreten Frau van Org und Herr Henke wieder die Bühne. Dieser zweite Teil konzentriert sich auf den Familien-Aspekt des Programms. Als Einleitung tragen die beiden eine akustische Version von "Orangenschiffchen" vor. Ein, trotz der Erklärung, skurriles Stück, zu dem Herr von Aster mit einem silbernen Tablett durch den Zuschauerraum geht und eben jene Obststücke an die anwesenden Mütter verteilt.
Daran schließt sich wieder eine kurze Runde Statistiken an - diesmal über Familien und Armutsgefährdung. Dies nutzt Christian von Aster als Überleitung zu einer Lesung aus seinem Kinderbuch "Der Nichtnutz", in welcher der Autor einen kritischen Blick auf Konsumverhalten wirft. Obwohl es noch etwas früh dafür ist, folgt ein Gedicht über den "Weihnachts-Dreikampf" - den normalen Wahnsinn bei einer durchschnittlichen Familien-Weihnachtsfeier.
An dieser Stelle übernimmt Frau van Org wieder die Bühne und liefert Zahlen zu Kindersterblichkeit, bevor sie ein weiteres, eher surreales Kapitel aus ihrem aktuellen Buch liest. In der Folge gewähren alle drei sehr persönliche Einblick in ihr Leben - teils lustig, teils beklemmend und teils skurril.

Der Tisch der Wahrheit
Für die Erziehungsberechtigten folgt ein Ratgeber von Oswald Henke. Allerdings ist es nicht empfehlenswert, diese Tipps in der Praxis anzuwenden. Als Ergänzung dazu ist es wieder Zeit für einige Fakten und Statistiken, diesmal zum Thema Körperstrafen.

Als Abschluss des Abends folgt ein weiteres Musikstück - wiederum eine Cover-Version. "Mein Name ist Mensch", ursprünglich von Ton Steine Scherben, lässt viel Interpretationsspielraum und rundet das Programm sehr passend ab.

Damit endet der Auftritt und Das Rind leert sich recht schnell. Dennoch bleiben alle drei Künstler noch eine ganze zeitlang vor Ort, plaudern mit dem verbliebenen Publikum, geben Autogramme und beantworten Fragen. So dauert es tatsächlich doch etwas länger, bis ich mich schließlich wieder auf den Heimweg mache.

Wie war's?

Schee wars!
Wie eigentlich, angesichts der beteiligten Künstler, nicht anders zu erwarten, war Ein Kessel Schwarzes eine sehr ungewöhnliche Veranstaltung. Im einen Moment gab es herzhafte Lacher, und im nächsten erhält die Stimmung durch bedrückende Fakten oder eine tiefgehende persönliche Erfahrung einen herben Dämpfer. Die abwechslungsreiche Mischung aus Musik, Lesung und Plauderrunde war erstaunlich unterhaltsam und hat sehr gut funktioniert. Das die stellenweise doch beklemmenden Themen (und Statistiken) niemandem nachhaltig den Abend verdorben haben ist der große Verdienst der Akteure. 

Dazu trug auch die Chemie zwischen den dreien erheblich bei. Trotz unterschiedlichster Lebensläufe und familiärer Hintergründe, trotz kaum zu vergleichenden kreativen Output passt es einfach zusammen. Die lockere Stimmung auf der Bühne übertrug sich auch auf die Zuschauer und sorgte für gute Unterhaltung - selbst wenn mehr als einmal das Lachen im Halse stecken blieb.
Insgesamt ein sehr schöner, entspannter, lustiger, nachdenklicher und unterhaltsamer Abend in wirklich toller Atmosphäre.

 

Dienstag, 1. Oktober 2024

Madness; Boss Capone & Patsy


[Konzert] Madness
Support: Boss Capone & Patsy
Freitag, 20. September 2024
Palladium; Köln

 

Nachdem mich das letzte Album der "Ska-Berserker" (so eine Musik-Postille Mitte der 1980er) doch sehr angenehm überrascht hat, ist die Vorfreude groß, dass Madness im Rahmen ihrer Tour mit zwei Terminen auch hier Station machen. Wenn man nach C'est la vie geht, sind die Musiker, mittlerweile alles gesetztere Herren jenseits der 60, deutlich ruhiger geworden. Nicht geändert hat sich der teils kritische, teils zynische Blick auf das heimische Umfeld der Londoner. So wurden auf dem Album die Veränderung der Stadt, der Brexit und auch die Auswirkungen von Corona thematisiert. Auf jeden Fall freue ich mich, die Band wieder live sehen zu können!
Die beiden deutschen Tourtermine (die einzigen auf dem europäischen Festland) sind in Köln und Berlin, was die Entscheidung für mich relativ einfach macht. Da mein Zeitplan in den nächsten Wochen ohnehin mit zahlreichen Messen, Konzerten, Lesungen und privaten Terminen vollgestopft ist, wähle ich natürlich den Auftritt in der Domstadt. Nicht nur bin ich vom Büro aus in gut zwei Stunden vor Ort - ich kann anschließend direkt wieder nach Hause fahren. Obwohl mein Entschluss relativ kurzfristig fällt, bekomme ich dennoch problemlos eine Karte für den Freitag im Palladium.

Nachdem mein Arbeitstag bereits um 6 Uhr morgens begonnen hat, verabschiede ich mich schon mittags in den Feierabend. Die Navigations-App verspricht freie Fahrt über die A3, so dass ich tatsächlich noch einen Abstecher in die Kölner Innenstadt einplane. Bis kurz hinter Siegburg verläuft die Reise auch zügig und ereignislos - doch dann geht in einer Baustelle nichts mehr. Eine gute Stunde benötige ich für den Kilometer, an dessen Ende ein LKW Teile der Absperrung mitgenommen hat. Nachdem ich dieses Hindernis passiert habe, läuft der Rest recht entspannt, zumindest bis ich im Kölner Feierabendverkehr lande. Glücklicherweise muss ich nicht direkt in die Stadt, sondern bleibe im rechtsrheinischen Mülheim. Da es immer noch relativ früh ist, ergattere ich einen Parkplatz praktisch genau vor dem Eingang der Halle - so bleibt mir immerhin ein langer Fußmarsch ins nächste Parkhaus erspart.
Gemäß meinem ursprünglichen Plan fahre ich mit der Straßenbahn in Richtung Dom und Innenstadt. In der Hohen Straße drücken sich Horden von Touristen und Einheimischen aneinander vorbei und ich beeile mich, in eine der Seitengassen abzubiegen, um einige Besorgungen zu erledigen. Schwer beladen mit Einkäufen geht es bald darauf wieder zum Hauptbahnhof. Allerdings lasse ich es mir nicht nehmen, bei meiner bevorzugten Imbissbude eine kleine Stärkung zu verspeisen.

Die Location

2-tone-Design
Obwohl es noch eine gute Stunde bis zur Öffnen der Tore hin ist, hat sich bereits eine veritable Schlange vor dem Palladium gebildet, als ich zurückkehre. Ich reihe mich ein und schnell kommt man ins Gespräch. Diese drehen sich um vergangene Konzerte, zu früh verstorbene Musiker oder Vor- und Nachteile der verschiedenen Veranstaltungsorte. Für einen Mitfünfziger, der wenige Meter hinter mir steht, ist dies bereits das achte Auftritt auf der aktuellen Madness-Tour - was ich schon ein bisschen beeindruckend finde. So vergeht die Zeit recht schnell und exakt um 18.30 Uhr beginnt der Einlass.

Es ist für mich das erste Mal in dieser Location und so schaue ich mich interessiert um. Hohe Decken in der Vorhalle, eine geschmackvolle Inneneinrichtung und flinkes Thekenpersonal machen einen sehr guten Eindruck. Mein persönliches Highlight sind allerdings die Toiletten im Keller. Passend zur Musik sind Wände und Boden im klassischen schwarz-weißen 2-tone-Muster gefliest; hinzu kommt ein Waschbecken, das mitten im Raum steht. Der Konzertsaal wirkt ebenfalls recht ansprechend. Eine umlaufende Galerie ist für (wahrscheinlich) geladene Gäste vorbehalten, aber auch so ist die Räumlichkeit gut aufgeteilt. Eine Theke am Hallenrand sorgt für das leibliche Wohl, nur wenige Stahlträger versperren die Sicht und die Lüftung scheint gut zu funktionieren. Schnell sichere ich mir einen Platz direkt an der Absperrung, der einen freien Ausblick auf die Bühne erlaubt.

Der DJ

Stilisch!
Während sich die Halle langsam füllt, steht am linken Bühnenrand, also direkt vor mir, ein älterer Herr im schicken Anzug und lässt die Tonträger kreisen. Hier gibt es ganz klassisch frühen Ska, Rocksteady und Reggae auf die Ohren, aber auch Northern Soul. Er macht seinen Job so gut, dass bereits vor dem Beginn des eigentlichen Konzerts Bewegung in die Besucher kommt. Einige Späßchen mit den Leuten in der ersten und zweiten Reihe lockern die Atmosphäre zusätzlich auf. Kurz vor 20 Uhr wird es Zeit für die Vorband und das Pult wird an die Seite geschoben und er verabschiedet sich von der Bühne.

Nach dem Auftritt von Boss Capone & Patsy folgt während der halbstündigen Umbaupause der zweite Teil des DJ-Sets. Dieser wird ebenfalls maßgeblich durch Musik der 1960er bestimmt, aber es finden auch "modernere" Stücke ihren Weg auf die Turntables. Bei einigen davon handelt es sich um ungewöhnliche Cover, beispielsweise "Das Model" oder "Insane in the Brain". Den Schlusspunkt setzt dann "Jump Around" von House of Pain, bei dem wirklich niemand mehr im ausverkauften Palladium still steht. Anschließend wird der DJ (völlig zurecht) vom Publikum mit Applaus verabschiedet.

Boss Capone & Patsy

Boss Capone kannte ich bisher nur als Frontmann der Jogginganzug-Träger von The Upsessions, die ich schon mehrfach auf verschiedenen Festivals gesehen hatte. Nun also mit neuer Band, anderer Optik und der reizenden Patsy am Mikrofon.

Boss Capone mit vollem Einsatz
Musikalisch geht es mit der Handvoll Stücke des gut halbstündigen Sets auf eine Reise tief zurück in die 1960er. Die sieben Musiker pendeln zwischen entspanntem Reggae und etwas druckvollerem Ska, komplett mit Saxophon und Orgel. Die Rhythmus-Sektion drängt sich dabei nicht in den Vordergrund, sorgt aber dafür, dass die Stücke zuerst ins Ohr und dann in die Füße gehen. Das Zusammenspiel zwischen Sängerin und Sänger funktioniert am besten, wenn sie gemeinsam am Werk sind. Auch außerhalb des Gesangs harmonieren die beiden recht gut und sorgen dafür, dass der Auftritt nicht langweilig wird. Der Schwerpunkt des Sets liegt, angefangen bei "I am the King" über "Here comes the Train" bis zu "Kings & Queens" beim gleichnamigen Album aus dem letzten Jahr. Den Abschluss bildet schließlich "Woman you a Scorpion" von der aktuellen Veröffentlichung Blackfire. Damit verabschiedet sich die Band von der Bühne des Palladium um Platz für den DJ zu machen, der sein Set während der kurzen Umbaupause fortsetzt.
Insgesamt ein Auftritt, der beim Publikum recht gut ankommt und die Wartezeit auf das eigentliche Highlight des Abends angenehm verkürzt.

Madness

Während man auf der abgedunkelten Bühne Bewegungen erahnen kann, läuft auf der großen Video-Leinwand ein Countdown herunter. Schließlich gehen die Lichter an und Suggs McPherson spricht die Worte ins Mikrofon, auf die alle gewartet haben: "Hey you! Don't watch that, watch this...".

Los gehts!
Mit "One Step Beyond", das Stück, mit dem die mittlerweile 45jährige Karriere der Band ihren Lauf nahm, beginnt das Konzert. Dabei werden die sechs Bandmitglieder von drei Bläser und einem Percussionisten unterstützt. Der Titel hat auch nach dieser langen Zeit nichts von seinem Druck und seiner Eingängigkeit verloren. Allerdings hat sich das Tempo ein wenig verlangsamt. Dies tut der Reaktion des Publikums keinen Abbruch - es wird ab dem ersten Ton ausgelassen gefeiert. Es folgen mit "Embarrassement" und "The Prince" ältere Stücke der frühen Alben.
Mit "C'est la Vie" folgt der Titeltrack des aktuellen Longplayers - der es tatsächlich auf den ersten Platz der britischen Album-Charts geschafft hat. Lee Thompson hat merklich Spaß an seiner Arbeit am Saxophon und gibt praktisch den Alleinunterhalter. Das Zusammenspiel der Rhythmussektion mit den Bläsern sorgt hier für einen interessanten Kontrast, der gelegentlich durch extensive Keyboard-Parts unterbrochen wird.
Mike Barson an den Tasten nimmt auch beim folgenden "NW5" eine herausragende Rolle ein. Die lockere Instrumentierung kann nicht ganz über die leicht melancholische Grundstimmung hinwegtäuschen. Aber ich freue mich, dass es ein Track meines Lieblingsalbums in die Setlist des Konzertes geschafft hat. Es folgen mit "My Girl" und "The Sun and the Rain" wiederum ältere Stücke, beide nicht unbedingt typische beschwingte Partymusik und mit ernsteren Texten. Das Live-Arrangement setzt andere Schwerpunkte als die Originalaufnahmen - was sehr gut funktioniert.

Lee Thompson gibt alles
Glücklicherweise hat es auch mein ganz persönliches Highlight vom neuen Album in die Setlist geschafft. Eigentlich passt "Hour of Need" gar nicht zu einer Band, die sich ihren Namen mit locker-leichten, aber häufig hintersinnigen Liedern gemacht hat. Für mich eines der emotionalsten Stücke, die ich seit langer Zeit gehört habe - und mein heimlicher Höhepunkt des letzten Albums. Die etwas gedrückte Stimmung wird sofort durch "Wings of a Dove" und "Lovestruck" aufgehellt, beide wieder aus frühen Veröffentlichungen.
Praktisch nur auf Percussion und Bläser setzt "Run for your Life". Im Prinzip besteht das Stück aus einer Aufzählung von Katastrophen angefangen beim Brexit, über den Klimawandel, Corona und den Krieg in der Ukraine. Trotzdem bleibt bei dem Rhythmus eigentlich keine andere Wahl, als mitzuhüpfen. Ein Blick nach hinten zeigt, dass es mir damit nicht alleine so geht.
Danach folgt ein Ausflug weit zurück in die Bandgeschichte - allerdings nicht 126 Jahre, wie Sänger McPherson behauptet. Bei "Bed and Breakfast Man" und "Shut Up" erweist sich das Publikum als textsicher und singt lautstark mit. Hier ist noch der typische "nutty sound" zu hören, der Madness von anderen Ska-Gruppen der Zeit abhob. Mit "Taller Than You Are" kommt sogar eine gepflegte Rocksteady-Nummer vom Dangermen-Album, mit dem die Band auf Spurensuche in den 1960er ging. Hier sind es das wild orgelnde Keyboard und die harmonischen Bläsersätze, die im Gedächtnis bleiben. Schließlich folgt ein Lobgesang auf "Mr. Apples" - einen typischen Vertreter der britischen Oberschicht. Danach verlassen die Bandmitglieder, von den Herren Foreman und Woodgate abgesehen, die Bühne. Chris Foreman übernimmt das Mikrofon und plaudert in gewöhnungsbedürftigem Denglisch mit dem Publikum. Anschließend gibt er eine recht spezielle Karaoke-Version von "Highway to Hell" zum besten.
Suggs McPherson

Nach diesem kurzen Intermezzo kommt die Band wieder auf die Bühne und legt mit "House of Fun", "Baggy Trousers" und "Our House" richtig los. Alle drei Stücke haben nichts von ihrem Schwung verloren und das Publikum erweist sich, wenig überraschend, sowohl als textsicher, wie auch tanzfreudig. Sicher wäre ein Madness-Konzert ohne dieses Hattrick nicht denkbar - unbestreitbar der Höhepunkt des Abends. Deutlich ruhiger geht es dann mit "It must be Love" weiter - bei dem schließlich die Besucher den Gesang übernehmen dürfen. Damit verabschiedet sich die Band erneut von der Bühne. Nur um kurz darauf wieder zu kommen und die Zugabe zu spielen.
Mit "Madness" vom Debüt-Album wird das Publikum noch einmal diskret hingewiesen, wer hier auf der Bühne steht. Erneut ist es ein Saxophon-Solo, das hervorsticht. Das Stück geht nahtlos in einer SEHR ungewöhnliche und lange Version von "Night Boat to Cairo" über, mit der die Band gerne Konzerte beendet. So ist es auch in diesem Fall und nach fast 90 Minuten verlassen die Musiker endgültig die Bühne.

Eigentlich ist mein Plan, mich direkt auf den Heimweg zu machen, da ich am nächsten Tag noch einige Dinge erledigen muss. Doch kurz vor dem Ausgang treffe ich Bekannte aus dem benachbarten Düsseldorf, die ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen habe. So folgt ein längerer Abstecher an die Bar - an der immer noch Gedränge herrscht. Es ist nach Mitternacht, als ich mich schließlich müde, aber glücklich, hinter das Steuer meines Wagens setze.

Wie war's?

Um es kurz zu machen: Ein rundum gelungenes Konzert in einer hübschen Location. Zumindest für mich direkt an der Bühne war der Sound recht gut. Über den Klang im Rest des Saales habe ich im Nachgang unterschiedliche Meinungen gehört. Der Stimmung im Publikum hat dies jedoch keinen Abbruch getan. Praktisch die ganze Zeit (auch beim DJ und der Vorband) war Bewegung - obwohl auf wilde Skankin'-Exzesse verzichtet wurde. Das mag natürlich dem Alter der Besucher geschuldet sein, aber auch der vollen Halle.

Eine kleine Gedächtnisstütze
Die Auswahl der Setlist pendelte zwischen einem (zwangsläufig) abgespeckten "Best Of" und einem Einblick in das aktuelle Album. Dazwischen fand die Band immer wieder Platz, um Stücke von jedem der 13 Alben unterzubringen. Natürlich sind 90 Minuten viel zu wenig, um alle wichtigen und bekannten Titel zu berücksichtigen. So haben mir letztendlich doch ein oder zwei meiner persönlichen Favoriten gefehlt, aber damit kann ich gut leben. Bei der Band hatte ich nicht den Eindruck, dass sie einfach nur ihr Set herunterspielen, sondern mit Spaß an der Sache dabei sind. Während sich die Herren Barson, Woodgate und Bedford weitgehend im Hintergrund halten, spielt sich Gitarrist Chris Foreman im wahrsten Sinne des Wortes öfters ins Rampenlicht. Saxophonist Lee Thompson sorgt in wechselnden Outfits und seinen häufigen Positionswechseln für einige Lacher. Sänger Suggs McPherson kommentiert fast jedes Stück mit kurzen Sätzen, und sucht die Kommunikation mit dem Publikum. Stimmlich hakt es zwar an manchen Stellen ein wenig, aber darüber lässt sich gut hinweg sehen. Insgesamt eine sehr ordentliche Leistung, die die sechs Herren (eigentlich schon im Rentenalter) hier abliefern.

 

Sonntag, 15. September 2024

Amigo Spielefest 2024

 


[Messe] Amigo Spielefest 2024

Sonntag, 8. September 2024
Capitol; Dietzenbach


In seiner langen Geschichte hat das Amigo Spielefest schon an einigen unterschiedlichen Orten Station gemacht - beispielsweise Rothenburg ob der Tauber und Braunfels (seinerzeit als Fantasy-Spielfest), Kassel, Mainz oder Köln. Die letzten beiden Jahren hat man sich entschlossen einfach zu Hause zu bleiben und die Veranstaltung im Dietzenbacher Capitol auszurichten.

Eigentlich hatte ich vorgehabt, bereits am Samstag zur Deutschen Wizard-Meisterschaft vor Ort zu sein. Aber leider hat das zeitlich ganz und gar nicht hingehauen. Also schwinge ich mich am frühen Sonntag Morgen auf die Straße.

Dank einer, im Navi, falsch eingegebenen Postleitzahl, stehe ich kurz vor 10 Uhr mitten in Offenbach in einem Wohngebiet. Hier mögen viele Dinge vonstattengehen - Brettspiele sind es sicherlich nicht. Weitere zehn Minuten später bin ich dann tatsächlich an der richtigen Adresse in Dietzenbach gelandet. Der Parkplatz vor der Halle ist zwar nicht ausgestorben, aber es herrscht auch kein Gedränge.


Nachdem ich mir einen kleinen Überblick verschafft habe, folgt ein kurzer Marschplan. Schminken und die Hüpfburg lasse ich erstmal links liegen, ebenso wie den Shop und die Turniere. Bei Amigo gehört es schon fast zur Tradition, die Neuheiten bereits wenige Wochen vor der SPIEL in Essen zu veröffentlichen. Und so sind hier zahlreiche Spiele zu sehen, die praktisch druckfrisch aus der Fabrik kommen. Da die Erklärteams aktuell nicht viel zu tun haben, nutze ich die Gelegenheit und lasse mir fast alle Spiele erklären oder wage gar eine Testrunde.

 

Die Neuheiten

Ich beginne meinen Rundgang im Keller. Hier befinden sich - etwas undankbar gelegen - eine Handvoll Spieltische. Besonders neugierig bin ich auf 3 Chapters, ein märchenhaftes Stichkartenspiel. Ich setze mich mit einem netten, wenn auch heiseren, Rotkäppchen an den Tisch und lasse mir die Abläufe und Spielhintergründe erklären. Die kurze Demo-Runde macht auf jeden Fall Lust auf mehr und auch die schicke Grafik weiß zu gefallen.


Meine nächste Station befindet sich ein paar Schritte weiter. Bereits fünf Jahren hat L.A.M.A. von Dr. Reiner Knizia auf dem Buckel. Nach einer Würfel-Variante und einer Party-Edition veröffentlicht der Verlag mit L.A.M.A.Kadabra weiteren Zuwachs. Hier wird das Grundkonzept aufgegriffen und um einige willkommene Interaktionen zwischen den Spielern erweitert. Dem ersten Eindruck nach, tut dies dem Ablauf sehr gut.
Eigentlich will ich einen kurzen Abstecher vor die Tür machen, doch der Wind ist mittlerweile so stark geworden, dass es die Aufsteller umweht. Auch die beiden verwaisten Hüpfburgen schwanken bedenklich, so dass sie in aller Eile abgebaut werden. Der einsetzende Starkregen treibt mich dann vollends zurück in den Schutz der Halle.

Ulisses Spiele haben leider ihre Anwesenheit kurzfristig krankheitsbedingt absagen müssen. Damit entfällt ein kompletter Programmpunkt, den ich eigentlich fest eingeplant hatte. Doch immerhin ist die neue Wizard-Ausgabe fertig geworden. Diese steht ganz im Zeichen des 40sten Jubiläums von Das Schwarze Auge, wohl dem bekanntesten deutschsprachigen Rollenspiel. Neben frischen Illustrationen gibt es auch eine Sonderkarte, die ein wenig Einfluss auf den Spielverlauf nimmt. Außer den Zeichnungen fällt hier vor allem die schicke Verpackung ins Auge, die einen sehr wertigen Eindruck macht. Eine ähnliche Schachtel kommt, nebenbei erwähnt, auch bei den Jubiläumsausgaben von Saboteur sowie 6 nimmt! und dem neuen 3 Chapters zum Einsatz.


Eine weitere Neuheit ist das diebische Würfelspiel Beutezug. Hier versuchen die Spieler Karten zu erbeuten, in dem sie einen Würfelpool nutzen. Neue Karten ermöglichen dabei die Modifikation von Würfen oder geben andere Boni. Ebenfalls ein interessantes Spiel, dass gut in das Verlagskonzept passt.
Nach einer kurzen Erklärung und Zuschauen bei einer Testrunde muss ich sagen, dass Burger Slam wohl eher nichts für mich ist. Burger aus verschiedenen Zutaten zusammenbauen klingt noch einigermaßen machbar, aber die schnellen Abläufe überlasse ich dann gerne jüngeren Spielern. Das Gleiche gilt auch für die neue Serie von Malspielen Pick a Pen.

Lieber werfe ich noch einen Blick auf die beiden Kartenspiele No Thanks! und Combo Up. Das erstere gefällt mir mit seinen taktischen Überlegungen und dem flüssigen Spielverlauf recht gut, während beim letzteren (eine überarbeitete Neuauflage hiervon) der Funke nicht wirklich überspringen will.


Im Hauptsaal sind in der ganzen Zeit zahlreiche Turniere im Gange. Bei SET, Saboteur, Bohnanza - Das Duell und 6 nimmt! wird jeweils um den Titel des Deutschen Meisters gerungen. Darüber hinaus gibt es ein Qualifikationsturnier für die Wizard-Meisterschaft im nächsten Jahr. Meine Zeiten als Turnierspieler liegen lange hinter mir, dennoch lasse ich es mir nicht nehmen, an den Tischen vorbei zu schlendern. Hier wird doch teilweise auf einem ganz anderen Niveau gespielt, als bei den heimischen Runden. Vor allem bei SET finde ich die Geschwindigkeit erschreckend, in der die Spieler die verschiedenen Karten-Trios erkennen.

Und sonst?

Zum Abschluß schaue ich mir die Auslagen des kleinen Shops an, der zusammen mit der Spieleausleihe, in einer Nebenhalle seinen Platz gefunden hat. Neben den Neuheiten und Klassikern des Verlags finden sich hier auch einige Spiele, die ich nicht so einfach beim Dealer meines Vertrauens bekommen. Vor allem eine Bohnanza-Ausgabe mit neuen Artworks, deren Verkaufserlös einer Stiftung zugutekommt, hat es mir angetan. Ähnlich geht es mir mit Dahlias, der Bohnanza-Version für den US-amerikanischen Markt, bei der statt Bohnen Blumen angebaut und gehandelt werden müssen. Nachdem ich auch hier ein bisschen Geld gelassen habe, drehe ich eine abschließenden Runde und unterhalte mich mit einigen Besuchern und Mitgliedern des Demo-Teams.


Schließlich lässt der Regen soweit nach, dass ich es halbwegs trocken über den Parkplatz zu meinem Wagen schaffe und mich wieder auf den Heimweg mache.
Alles in allem hat der Verlag hier eine sehr schöne, familiäre Veranstaltung auf die Beine gestellt, die ich als gelungenes "Warm-Up" für die SPIEL in drei Wochen empfinde. Der Besucherandrang am Sonntag hielt sich insgesamt in einem überschaubaren Rahmen, was sicherlich auch zu einem Gutteil dem wirklich miserablen Wetter geschuldet war. Am Vortag muss doch deutlich mehr Gedränge geherrscht haben.

Die offizielle Nachlese zur Veranstaltung gibt es auf der Homepage von Amigo. Dort gibt es auch eine Übersicht zu den Turnieren und mehr Bilder.