Sonntag, 21. September 2025

 


[Konzert] 
Fïx8:Sëd8
Sonntag, 14. September 2025
Das Rind; Rüsselsheim

Ganze vier Jahre ist es bereits her, dass Fïx8:Sëd8 mit The Inevitable Relapse ihr letztes Album veröffentlicht haben. Die dazugehörigen Auftritte waren sowohl musikalisch als auch optisch recht eindrucksvoll – daher fand ich die lange „Durststrecke“ ohne frisches Material sehr schade. Doch seit Anfang des Jahres mehrten sich die Lebenszeichen auf den Social-Media-Kanälen des finsteren Electro-Projektes. Hier mal ein neuer Soundschnipsel, dort einige Schnappschüsse von Dekos oder Kostümen. Schließlich machten erste Gerüchte über ein geheimes Konzert die Runde, bei dem sowohl Teile des Albums Octagram als auch die dazugehörige Bühnenshow vorgestellt werden sollten.

Mitte Juli gab es auch die offizielle Ankündigung des Longplayers mit der Option auf Vorbestellungen und neues Merchandise. Wer mochte (und kein Ticket hatte), konnte sich dort eine Karte für die „Generalprobe“ der im Oktober beginnenden Tour zulegen. Da ich bis zu diesem Zeitpunkt noch unentschlossen war, ergriff ich nun die Gelegenheit beim Schopf und buchte Album, Shirt und den Konzertbesuch.

Die Location

Was hat Teddy angestellt?

Als ich an dem spätsommerlichen Sonntagnachmittag in Rüsselsheim ankomme, hat sich vor dem Das Rind schon eine veritable Schlange an schwarz gekleideten Gestalten gebildet. Die Stimmung ist ausgelassen, man scherzt über altersgerechte Konzerte bei Kaffee und Kuchen und die (nicht ganz Ernst gemeinte) Frage stellt sich, ob der Gig bestuhlt ist. Dabei stört es auch nicht, dass die Spaziergänger, die das sonnige Wetter für einen Familienausflug an den Main nutzen, dem Treiben eher skeptische Blicke zuwerfen. Kurz vor Einlass läuft eine nette Dame (zu dieser später mehr) die Schlange entlang, entwertet die Karten und verpasst jedem einen Stempel. Dies, so sagt sie, diene um den Ablauf gleich zu beschleunigen. Als dann schließlich die Türen des Rind öffnen, strömt die Menge ungehindert in den kleinen Saal. Der unterbeschäftigte Türsteher hält sich nicht weiter mit Taschenkontrollen oder kritischen Blicken auf die Gäste auf, sondern winkt alle freundlich herein. Bisher hat die ganze Veranstaltung eher den Charakter eines Familientreffens. Das am Rand aufgebaute Kuchenbuffet unterstützt diesen Eindruck weiter. Hinzu kommt, dass sich im Innenraum zahlreiche Freunde und Bekannte versammeln, die ich erst vor wenigen Stunden bei der Zweiten Dunklen Jugend, einer EBM-Party im benachbarten Mainz, gesehen habe.

Willkommen im Rind

Bevor ich mich jedoch unters Volk mische, stehe ich brav in der Schlange, um meine Vorbestellungen abzuholen. An der Ausgabe steht Martin Sane selbst, begrüßt jeden Abholer per Handschlag und drückt den ersten Besuchern noch ein Andenken in die Hand. Später, im Tageslicht, kann ich mir den kleinen Glasbehälter genauer anschauen. Der Korken ist mit metallischen Nadeln durchzogen, im Innern klimpert fröhlich ein Zahn. Etwas speziell – aber konsequent.

Nachdem ich Album und Shirt bei Freunden zwischengelagert hatte (die einen der wenigen Sitzplätze ergattert haben), begebe ich mich in Richtung der spärlich beleuchteten Bühne. Dort gibt es ein freies Fleckchen in der zweiten Reihe, von dem ich einen guten Blick auf das Geschehen vor mir habe. Schon beim Betreten hatte ich Assoziationen mit einschlägigen Horrorfilmen – allen voran natürlich Hellraiser. Jetzt, wo ich die Gegenstände von nahem betrachte, erwecken diese eher den Anschein von künstlerischen Installationen anstatt einfacher Deko. Es gibt unzählige Details zu entdecken und die Bühne ist eigentlich zu klein, um alles richtig in Szene zu setzen. Der bleibende Eindruck ist aber den zahllosen Nägeln, Sägeblättern und Körperteilen vorbehalten, die großzügig verteilt sind.

Hier hat sich hier jemand sehr viel Mühe gegeben, makabre, verstörende und beängstigende Objekte zu erschaffen. Dagegen wirken die Puppen und Kabel der letzten Tour beinahe langweilig.

Fïx8:Sëd8

Nach etwas mehr als einer Stunde hat sich jeder mit Merchandise, Kuchen und Getränken eingedeckt und die ohnehin schon spärliche Beleuchtung verlischt – nur noch die Bühne ist in rotes Licht gehüllt.

Nach einem kurzen Intro nimmt eine Gestalt in schwarzer Kutte (die freundliche Dame, die zuvor die Tickets entwertet hat) den Platz hinter der Elektronik am linken Bühnenrand ein. Bald darauf schiebt ein verschleierter Martin Sane einen, ebenfalls schwarzen und mit zahlreichen Nägeln dekorierten, altertümlichen Kinderwagen an die gegenüberliegende Seite der Bühne.

Kostümwechsel
Die Optik ist schon sehr vielversprechend, aber auch der Opener „New Eden“ vom neuen Album kann musikalisch überzeugen. Nicht übermäßig druckvoll, teils sogar melodisch und eingängig, garniert mit Sprachsamples und abgerundet mit verzerrtem Sprechgesang. Damit setzt die Band konsequent ihren Weg fort und liefert einen gelungenen Vorgeschmack auf den kommenden Tonträger. Schon sehr früh kommt dabei auch Bewegung in den Zuschauerraum – der recht gut gefüllt ist.

Es folgen verschiedene Stücke wild durch die immerhin sechs Alben umfassende Diskografie – und auch Octagram, das Anfang Oktober veröffentlicht wird, kommt nicht zu kurz. Jeder der Tracks setzt einen leicht anderen Schwerpunkt. Mal sind es verstörende Klanglandschaften, mal beatlastige, tanzbare Passagen und hin und wieder klingen gefällige Melodien durch. Gelegentlich kommt gar der Gesang (fast) ohne Verzerrung aus, auch die zweite Stimme, beigesteuert von Victoria Sane, trägt zur Vielseitigkeit bei. Dabei fällt es mir schwer, einen Favoriten auszumachen. Wenn ich wählen müsste, wären dies aber wahrscheinlich „pROGNOSIs“ vom letzten Album und „Parasite Paradise“.

Quasi nackt

Martin Sane verzichtet während des gut zweistündigen Auftritts komplett auf Interaktion mit dem Publikum, dafür liefert er eine beeindruckende, sehr intensive Performance. Die Kostümwechsel, die verschiedene Phasen voneinander trennen, die Einbeziehung der Props, beispielsweise der großen Sanduhr oder der „Organe“ aus dem Kinderwagen, die thematisch passenden Projektionen im Hintergrund heben den Gig deutlich von einem normalen Konzert ab.

Nachdem die Sanduhr bereits durchgelaufen ist, geht es langsam dem Ende des Auftritts entgegen. Dabei verzichten die beiden Musiker schließlich auf Kutten, Regenmäntel, Krallen und Masken und präsentieren sich dem Publikum ausnahmsweise von Angesicht zu Angesicht.

Wie war’s?

Die Neugier auf neues Material von Fïx8:Sëd8 war groß – und Martin Sane hat nicht enttäuscht. Musikalisch setzen die Tracks von Octagram den eingeschlagenen Weg fort – düsterer, atmosphärischer Electro, dennoch eingängig und stellenweise sogar tanzbar. Was die Band deutlich abhebt, ist die wirklich eindrucksvolle visuelle Komponente, die sich konsequent durch Darbietung, Deko und Merchandise zieht und die Stimmung der Musik perfekt ergänzt. Während sich die meisten anderen Künstler des Genres damit begnügen, sich an ihrem Mikrofonständer festzuhalten oder wild über die Bühne zu toben, bekommen die Zuschauer hier eine regelrechte Performance geboten.

Sowas will ich auch...

Obwohl es sich „nur“ um eine Generalprobe handelte, gab es keine größeren Pannen. Zumindest wäre mir nichts aufgefallen – mal von einer abgebrochenen Kralle beim Handschuh abgesehen. Der ganze Auftritt wirkte in sich geschlossen und durchdacht. Unterstützt wurde das Ganze durch die lockere, familiäre Atmosphäre, entspannte Unterhaltungen und zwei glänzend aufgelegte Künstler, die hier etwas Beeindruckendes auf die Beine gestellt haben. Dabei hat mich doch das Einzugsgebiet verwundert. Neben mir an der Bühne standen Fans aus Augsburg, draußen hatte ich mich mit Ruhrgebietlern unterhalten.

Wer mehr Bilder von diesem grandiosen Konzert sehen möchte, wird HIER fündig.

Und wer sich lieber selbst von der Qualität des Auftritts überzeugen will (was ich sehr empfehle), kann Fïx8:Sëd8 auf der kommenden Lessons in Humility-Tour ab Mitte Oktober einen Besuch abstatten.